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Ehrensachen

Ehrensachen

Titel: Ehrensachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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glaubst oder nicht, über lateinische und griechische Dichter. Er ist selbst ein halber Altphilologe. Ich spürte, daß die Besprechung sich dem Ende näherte, obwohl ich nicht wußte, ob er mich einstellen wollte; da fragte er auf einmal, als sei es ihm plötzlich wieder eingefallen: Ach, übrigens, warum stehen Sie nicht im Martindale & Hubbell als Partner Ihrer Kanzlei? Ganz einfach, weil ich kein Partner bin, antwortete ich. Liebend gern hätte ich gesagt: weil ich noch kein Partner bin, aber das wagte ich nicht. Ah, sagte er, Sie sind übergangen worden! Ich gab mir einen Ruck und erklärte ihm, das stimme nicht, sondern ich sei noch nicht an der Reihe gewesen. Er schüttelte den Kopf und meinte: Das hätte mir Etienne ruhig sagen können. Ich dachte, das war’s dann wohl; er würde mir nur danken, daß ich mir die Mühe gemacht habe, ihn aufzusuchen. Statt dessen sah er mich sehr ernst an und sagte, er wolle wetten, daß ich es schaffen würde. Und ich war eingestellt!
    Eine tolle Geschichte, sagte ich.
    Ein toller Kerl. Es ist die aufregendste Arbeit, die ich mir vorstellen kann. Außerdem sind wir Freunde geworden. Wenn ich nicht wüßte, daß er Frauen mag, sogar zu sehr mag, würde ich mich fragen, ob ich mich in acht nehmen muß.
    Keine Sorge, eine besondere Versuchung für Schwule bist du nicht, erklärte ich ihm.
    Natürlich nicht, antwortete er, entschuldige bitte. Aber, ganz im Ernst: Ich möchte, daß du Hubert und Gilberte kennenlernst. Ihr würdet euch mögen. Ich habe ihnen eine Menge von dir erzählt.
    Ich sagte Henry, daraus würde vorläufig nichts werden,nicht vor dem Spätfrühling oder Frühherbst, je nachdem, wie lange ich in Malta blieb und was ich im Sommer unternahm.
    Wann immer du kannst, antwortete er, mir ist alles recht. In der Zwischenzeit werde ich zusehen, daß sie deine Bücher lesen.
    Wie hast du es übrigens geschafft, fragte ich, dich mit Madeleine weiter so gut zu verstehen, obwohl die intensivere Phase der Freundschaft offenbar vorbei ist?
    Einer meiner seltenen diplomatischen Erfolge, sagte er. Theoretisch war ich immer verfügbar, de facto aber zunehmend beschäftigt, und so verging ein Jahr, und dann war es vorbei; die Sache hatte sich in Luft aufgelöst.
    Innerhalb von Stunden nach seiner Ankunft wurde Tom krank: Lungenentzündung. Der vom Hotel empfohlene italienische Arzt behandelte ihn fachkundig, fanden wir. Trotzdem überschattete seine Krankheit die Feiertage, und ich war erleichtert, als ich ihn in das Flugzeug nach Rom setzen konnte. Er plante, vor dem langen Flug nach New York und weiter nach Boston ein paar Tage an der American Academy in Rom zu verbringen. Ich blieb in Malta. Das altmodische Hotel und sein meist leeres Restaurant sagten mir so zu, daß ich mich, gleich nachdem ich mein revidiertes Manuskript abgeschickt hatte, wieder an die Arbeit setzte, um einige thematisch zusammenhängende Erzählungen zu schreiben, die, so hoffte ich, zusammen in Buchform publiziert werden konnten. Erst Ende Juni kam ich wieder nach Paris, mitten in einer Hitzewelle. Henry war zu Besprechungen in der Zentrale der Banque de Sainte-Terre nach Brüssel gefahren, und seine Sekretärin sagte mir, daß er wahrscheinlich frühestens in einer Woche oder zehn Tagen wieder zurück sei. Das Wochenende dazwischen werde er bei dem Grafen und der Gräfin verbringen. Zuerst wollteich einfach nach Brüssel fliegen und mit ihm zu Abend zu essen, aber sie riet mir davon ab.
    Er wird viel zu beschäftigt sein, erklärte sie. Sie arbeiten sehr lange und lassen sich einen Imbiß in das Konferenzzimmer bringen.
    Immerhin gab sie mir seine Telefonnummer und fragte, ob die Fotos von Henry auf Skiern, aufgenommen während seiner zweiten Skireise mit den Sainte-Terres, die sie mir auf seine Bitte in mein Hotel geschickt hatte, richtig angekommen seien. Sie waren eingetroffen, und ich entschuldigte mich, daß ich dies nicht bestätigt hatte. Sie zeigten Henry im schwarzen Skianzug, Skistöcke unter die Arme geklemmt, Knie gebeugt, bei einem Schwung an einem ziemlich steil aussehenden Hang. Am Spätnachmittag rief ich ihn an, sagte ihm, daß ich nur ein paar Tage in Paris sei und ihn gern sehen würde. Er bestätigte, was die Sekretärin mir mitgeteilt hatte: Selbst wenn er die Konferenz verlassen könnte, um mit mir zu essen, würden wir nichts davon haben. Er sei zu sehr in seine Arbeit vertieft.
    Praktisch alle anderen, die ich gern gesehen hätte, waren auch verreist, aber ich trank ein Glas mit

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