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Ehrensachen

Ehrensachen

Titel: Ehrensachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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Die Occident ist vielleicht doppelt oder sogar dreimal so viel wert wie Huberts Bank, zum größten Teil steckt ihr Wert in Unternehmen außerhalb Frankreichs. Die Banque de Sainte-Terre hat die Kontrolle über diese Bank, obwohl sie nur ungefähr vierzig Prozent der Stimmen und Aktienbesitzt. Es war eine unglaubliche Investition. Wenn ich sage, daß Sainte-Terre all diese Anteile besitzt, meine ich damit natürlich nicht, daß er sie direkt erwarb. Aus Gründen der Steuer und der Bankenaufsicht wird so etwas oft über Holdinggesellschaften getätigt, die ihren Standort in Ländern mit besonders günstigen Steuergesetzen haben. Die Niederlande und Luxemburg sind sehr beliebt. Manchmal mag die Schweiz besser sein, aber sie hat viele Probleme. Die Gründung von Holdinggesellschaften erleichtert übrigens die Finanzierung solcher Akquisitionen, weil man von der Basis bis zur Spitze immer wieder dritte Parteien als Equity-Investoren einführen kann, so daß auch bei minimalem Kapitalaufwand effiziente Kontrolle möglich wird.
    Während der Kellner mein Glas nachfüllte, hob ich die Hand, um den Redefluß zu stoppen. Durch Henrys Begeisterung für dieses nur Eingeweihten verständliche Spiel fühlte ich mich zurückversetzt an jenen Abend vor vielen Jahren, als er mir zum erstenmal von König Ubu erzählte. Sie hatte etwas wundervoll Verrücktes.
    Offenbar fand Henry, die Pause habe nun lange genug gedauert, und redete weiter. Du siehst, daß sich aus solchen Aktionen, vor allem, wenn sie mehr als ein Land betreffen – und das ist bei Huberts Geschäften fast die Regel –, komplexe rechtliche Strukturen und sehr verzwickte Steuerprobleme ergeben können. Glaub mir, selbst wenn das Geschäft auf solider Basis ruht, hängen die realen Profite von der Konstruktion ab. Um die Steuervergünstigungen aller beteiligten Länder wahrzunehmen, mußt du die Transaktion mit gesellschaftsrechtlichen Vorschriften, mit der Devisenbewirtschaftung und der Bankenaufsicht in Einklang bringen. Sonst hast du die Sache vermasselt.
    Na gut, unterbrach ich ihn, das ist ja sehr interessant, aber wie bringt es dich und Hubert zusammen?
    Entschuldigung, sagte er. Über diesem Thema vergesse ichalles. Wer hätte gedacht, daß solches Zeug meine Passion würde? Die van Dammes haben uns zusammengebracht; so einfach ist das. Hubert und Gilberte waren in Bayencourt, Etienne auch. Sie redeten über Geschäftliches, und Hubert erzählte, daß er vergeblich nach einem amerikanischen Anwalt Ausschau gehalten habe, der als sein Berater in allen Rechtsfragen arbeiten könne. Er wollte jemanden, der in Europa arbeitet, aber in Amerika ausgebildet ist und eine erstklassige amerikanische Kanzlei im Rücken hat, die bereit ist, sich einzuschalten, wenn sich eine günstige Gelegenheit ergibt, und er versucht, in den amerikanischen Markt einzusteigen. Etienne erwähnte ein paar erfahrene Anwälte, die von London oder Paris aus internationale Arbeit leisten. Hubert hatte sie alle schon kennengelernt und war nicht beeindruckt. In einigen Fällen habe es an der Persönlichkeit gelegen, in anderen war er sich nicht sicher, ob der betreffende Anwalt bereit – oder, in Anbetracht seiner übrigen Verpflichtungen, überhaupt in der Lage – wäre, ihm seine ganze Kraft zu widmen. Seine Bank und er hätten genug Arbeit, um einen Partner und sein Mitarbeiterteam unter Volldampf zu setzen, sagte er. Deshalb meine er inzwischen, er brauche einen Jüngeren. Kaum hatte sie das gehört, sagte Madeleine, daß sie und Etienne genau den richtigen Anwalt für ihn wüßten. Ganz unter uns, sagte Henry errötend, ich weiß weder, woher sie eine Vorstellung von meinen juristischen Fähigkeiten und Talenten haben will, noch warum irgend jemand ihrem Urteil auf diesem Gebiet traut. Aber Etienne, der etwas von solchen Dingen versteht, unterstützte sie und sagte alle möglichen außerordentlich schmeichelhaften Sachen über mich. Ich reimte mir zusammen, daß er sich im eigenen Interesse nach meinem Ruf erkundigt hatte. Vielleicht wollte er sich ein Urteil bilden, ob er mich eines Tages anstellen und für meinen Zeitaufwand bezahlen soll. Diese Unterhaltung spielte sich Anfang Juni ab. Kurz danachkam Hubert nach Paris und bat mich zur Besprechung eines möglichen Projekts in sein Büro. Als ich da war, löcherte er mich zwei Stunden lang, wollte alles wissen: über mein Studium, meine Arbeit in der Kanzlei, meine Lösungsvorschläge für verschiedene hypothetische Probleme und, ob du es

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