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Ehrensachen

Ehrensachen

Titel: Ehrensachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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Aufgaben in denSainte-Terre-Unternehmen übertragen, sondern irgendwie hatte er auch die Vermögensplanung und andere Privatangelegenheiten Sainte-Terres an Land gezogen. Diese Arbeit für sich genommen hielt schon die Hälfte der Treuhandanwälte bei Wiggins in Atem, und jetzt kamen auch Huberts Cousins und Geschäftsfreunde mit ihren Problemen in die Kanzlei.
    Es gilt als Regel, sagte George, daß eine Kanzlei die privaten Vermögen aller Chefs großer Unternehmensgruppen, die ihre Mandanten sind, verwalten soll. Auf diese Weise sichert man sich auch die gesellschaftsrechtlichen Aufträge. LBJ hatte recht: Hast du ihr Geld im Griff, folgen ihre Herzen und ihr Verstand nach!
    Im Lauf der Unterhaltung muß ich ihn gefragt haben, wie die Kanzlei auf Henrys Erfolge reagierte.
    George wurde sehr ernst und sagte, in diesem Punkt seien sich die Partner nicht einig. Hörte man auf einen der rangältesten Partner, der eine Flut von Mandanten geworben hatte, dann dürfte ein Anwalt nie den Ehrgeiz haben, alle juristischen Aufträge eines wichtigen Mandanten zu übernehmen. Damit wächst das Risiko, daß der Mandant anfängt, das hohe Niveau der Leistungen seines Anwalts für selbstverständlich zu nehmen. Von da ist es nur ein kleiner Schritt zu der Frage, warum der Anwalt für Routinearbeit so viel Honorar verlangt. Ob es sich überhaupt um Routine handelt, wird nicht gefragt. Der Mandant folgert, daß eine Arbeit, die so schnell und trotzdem so gut erledigt wird, Routine sein muß. Deshalb ist es aus der Sicht dieses Seniorpartners besser, den Mandanten zu ermutigen, auch andere Anwälte zu beschäftigen; auf diese Weise kann er vergleichen. Wer dann immer noch gut aussieht, wird den Mandanten und dessen Achtung behalten. Im Prinzip finde ich das richtig, aber Henry ist ein Sonderfall, weil er und Hubert sich so gut verstehen. Es ist nur natürlich, daß Hubert in praktisch allen Fragen Henrys Rat sucht. Aber die Sache hat auch etwas Exzessives. Der alte Derek de Rham schwört, daß Henry jetzt schon Französisch mit belgischem Akzent spricht.
    Ich sagte, wenn das stimme, sei es sehr komisch; nach meinem Eindruck sei Henrys Akzent im Französischen weniger hörbar als im Englischen. Vielleicht könne er demnächst als Belgier durchgehen.
    Beunruhigend ist auch, fuhr George fort, daß Henry zum Franzosen werden könnte. Ein paar Partner aus dem New Yorker Büro gingen mit ihm zu einem Empfang, den eine der Sainte-Terre-Gesellschaften gab. Als sie wieder in New York waren, erzählte einer von ihnen beim Mittagessen der Kanzlei, daß Henry durch den Raum gewieselt sei und immerfort irgendwelchen Damen die Hand geküßt habe. Ein paar Leute lachten, aber der alte Mr. Allen, der noch jeden Donnerstag zum Mittagessen kommt, sagte, Henry sei Amerikaner, und es gehe nicht an, daß Amerikaner sich wie Franzosen aufführen. Ob du’s glaubst oder nicht, manche Partner am Tisch riefen laut: Sehr richtig!
    Mir gefiel meine Wohnung in der Rue de Tournon, und ich hatte mich gut an die Gegend gewöhnt. Trotzdem wußte ich, daß ich die Sommermonate wahrscheinlich in den Berkshires verbringen würde. Da ich mich einem japanischen Schriftsteller angeschlossen hatte, zog es mich im Winter und Frühjahr nach Kyoto, und in der Rue de Tournon war ich höchstens drei Monate im Jahr. Damit wurde die hohe Miete zu einer nicht mehr vertretbaren Ausgabe. Weil ich in diesem Herbst in New York war und weil vor Weihnachten ein Buch von mir herauskommen sollte – folglich würde der Verleger wollen, daß ich im November verkaufsfördernde Lesereisen absolvierte –, entschloß ich mich, im September nach Paris zu gehen und meine Mietwohnung dort zuräumen. Ich hatte allen Grund anzunehmen, daß das neue Buch ein Erfolg wurde. Wenn das stimmte, würde es mich vielleicht ermutigen, eine kleine Bleibe zu kaufen, um die sich ein Concierge kümmern konnte, wenn ich nicht in Paris war, und vielleicht auch, wenn ich dort wohnte.
    Ich hatte Henry während meiner letzten Besuche häufig verpaßt. Diesmal war er da, und ich lud ihn zum Abendessen ein. Er sah erholt und sonnengebräunt aus – Ergebnis von zwei Wochen Ferien auf Hubert de Sainte-Terres Kaik; sie waren von Bodrum aus an der anatolischen Küste entlang nach Süden gesegelt. Eine geruhsame Fahrt, mit Schwimmen zur Mittagszeit und sehr gut organisierten Ausflügen zu Ruinen und archäologischen Ausgrabungsstätten. An jedem Anlegeplatz hatte außer den Autos und Fahrern ein Fachmann für

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