Ehrensachen
hellenistische Altertümer auf die Yacht gewartet.
Etienne und seine Frau waren die einzigen anderen Gäste, fügte Henry nach einer Pause hinzu. Ich fand die Einladung wirklich sehr schmeichelhaft.
Das wäre mir genauso gegangen, sagte ich.
Darüber wollte ich gerade mit dir reden, erwiderte er. Gleich nach deinem Anruf habe ich mit Hubert telefoniert und ihm gesagt, daß du hier bist. Er möchte dich morgen zum Abendessen in Paris einladen, oder, wenn du Lust hast, zu einem festlicheren Dinner am Freitag in Brüssel. Er würde uns sein Flugzeug schicken und uns am Samstag zurückbringen lassen – falls du nicht länger in Brüssel bleiben möchtest. Ich würde vielleicht noch bleiben.
Ich wollte Goldfinger gern kennenlernen, besonders auf seinem eigenen Terrain, und sagte Henry, die Einladung nach Brüssel würde ich mit Vergnügen annehmen. Dann fragte ich, wie sich die Arbeit für die Banque de Sainte-Terre entwickelte.
Soviel Freude hatte ich als Anwalt noch nie, vielleicht in meinem ganzen Leben nicht, sagte er. Erstens fühle ich michHubert so unglaublich eng verbunden; ich bewundere ihn. Stell dir vor, irgendwann hat er sogar angefangen, mir lateinische Briefe zu schicken. Antworten auf Briefe, in denen er von unseren gemeinsamen Theaterbesuchen mit anschließendem Dinner schwärmt, kann man ohne allzuviel Mühe zustande bringen. Aber er hat auch über Geschäftliches geschrieben! Zuerst konnte ich mir nicht denken, woher er die Vokabeln für Dinge und Begriffe hatte, die weder im klassischen, noch im mittelalterlichen Latein vorkommen, und dann fragte Margot: Wie schafft es denn der Vatikan, der nicht nur päpstliche Bullen und Hirtenbriefe verfaßt, sondern auch seine alltägliche Korrespondenz auf Latein führt? Zum Glück fiel mir ein, daß es in der Kurie so etwas wie ein Büro für neue Wörter gibt, und daß sie dort eigentlich auch ein Lexikon herausbringen müßten. Und so ist es tatsächlich. Ich habe mir die italienisch-lateinische Ausgabe besorgt, und glaub mir, ich habe kein einziges Wort für meine Diskurse über die moderne Welt vergeblich gesucht, keins, das die Kirche nicht erfunden hätte. In dem Lexikon steht alles. Komisch ist nur, daß Hubert mir nicht mehr auf Latein schrieb, sobald ich ihm demonstriert hatte, daß ich es auch kann. Also schicke ich ihm ab und zu ein Briefrätsel. Natürlich hat es nie mit unserer Arbeit zu tun. Übrigens kostet mich die Banque de l’Occident hier in Paris, die unter der Kontrolle der Banque de Sainte-Terre steht, mehr und mehr Zeit. An diesem Teil seiner Arbeit hängt Hubert mit Leidenschaft. Der Verantwortliche vor Ort ist ein Franzose namens Jacques Blondet; er hat von Anfang an mit Sainte-Terre zusammengearbeitet. Er ist sehr scharfsinnig und sehr undurchsichtig. Manchmal beunruhigend undurchsichtig.
Im Lauf der Unterhaltung erwähnte Henry, daß Margot noch nicht aus Südfrankreich nach Paris zurückgekommen sei. Jean wohne allein in dem Apartment in der Rue Barbet de Jouy. Der Junge sei in einem Schweizer Internat.
Ich war beschämt und bedrückt, denn mir ging auf, wie egozentrisch und wie unaufmerksam ich geworden war. Seit Jahren hatte ich keinen Kontakt mehr zu ihr. Außer einer vagen Erinnerung, daß Margot mir irgendwann, vielleicht ein Jahr nach der Hochzeit, eine Art Geburtsanzeige geschickt hatte, wußte ich nichts. Wahrscheinlich hatte ich nicht einmal ein Geschenk für das Baby geschickt und schon gar nicht geschrieben.
Ach ja, sagte Henry, Margot wollte unbedingt sofort ein Baby haben. Weißt du, wie der Kleine heißt?
Ich gestand, daß ich es mir nicht gemerkt hatte.
Henry, sagte er errötend, mit y geschrieben, zu Ehren von Henry de Montherlant. Das hat sie jedenfalls Jean erzählt. Ich glaube nicht, daß er es ihr abgenommen hat, aber ausnahmsweise hat Margot sich durchgesetzt. Ich bin auch Henrys Pate.
Wie hast du denn das gemacht? Bist du konvertiert?
Das war nicht nötig. Ich habe es so eingerichtet, daß ich nicht in der Stadt war, und Margot hat einen Fotografen von Paris Match, der immer in ihrem und Jeans Schlepptau war, als meinen Vertreter zur Taufe mitgenommen.
Bewundernswert.
So kann man es nennen, sagte er. Wenn du dich bei Margot meldest, solltest du unbedingt die Wohnung und das Jagdhaus aus dem achtzehnten Jahrhundert sehen, das sie in der Umgebung von Chantilly gekauft haben. Kaum hatte Mr. Hornung erfahren, daß ein Enkelkind unterwegs ist, war ihm keine Extravaganz mehr zuviel.
Das muß für Jean
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