Ehrensachen
ins Gesicht geschüttet oder ihn niedergeschlagen; aber das war lange her, und ich konnte mich nicht entscheiden, was ich an Henrys Stelle tun würde, doch als ich sah, wie mein Freund sich halb von seinem Platz erhob und schweigend eine Verbeugung in Richtung des Gastgebers andeutete, erkannte ich, daß er die richtige Entscheidung getroffen hatte. Er war kein Schläger. Er hielt den Mund.
Am nächsten Tag eröffnete die französische Regierung das Feuer, der Bericht über ihre Aktionen machte am Dienstag in den Abendnachrichten Schlagzeilen und stand am folgenden Tag im Figaro und in Le Monde auf der ersten Seite. Die Herald Tribune und die New York Times , die beiden englischsprachigen Zeitungen, die ich las, zogen am Freitag nach. Das Finanzministerium hatte eine Untersuchung eingeleitet, die den Verdacht auf anhaltende Verstöße der l’Occident und ihres Vorstands gegen Devisenbeschränkungen prüfen sollte. Das war eine unmittelbar gegen Jacques Blondet gerichtete Androhung strafrechtlicher Verfolgung. Eine zweite Untersuchung betraf andere Banken mit bekannten Geschäftsverbindungen zur Banque de Sainte-Terre, die im Verdacht standen, an diesen Verstößen gegen Devisenbeschränkungen mitgewirkt zu haben. Obwohl es nicht offiziell angekündigt wurde, schrieb Le Monde, Blondet werde einer Steuerfahndung unterzogen, die alle nicht von der Verjährungsfrist geschützten Jahre erfassen solle; laut Bericht hatte das Ministerium den Verdacht auf schwerwiegende Hinterziehungen. Im Fall von Betrug gelte die Verjährungsfrist nicht. Ein anderer Artikel erörterte mögliche Maßnahmen zur Einschränkung der Geschäfte der Banque de Sainte-Terre in Frankreich. Leider könne man wenig tun.
Ich versuchte, mit Henry zu telefonieren, aber seine Sekretärin sagte mir, er sei verreist und nicht erreichbar. Siebot mir jedoch eine Verabredung mit ihm zum Mittagessen am Montag an, dem ersten Tag, an dem er wieder im Büro sein werde. Wir einigten uns auf ein Restaurant in der Nähe der Madeleine. Ich rief bei Margot an, um zu fragen, ob sie mit ihm gesprochen hatte oder wußte, wo er war. Ihr Butler teilte mir mit, sie sei nicht in der Stadt.
Der Montag kam, und als ich gerade zum Restaurant aufbrechen wollte, rief Henry an. Er sagte, er sei froh, mich noch zu erwischen. Die Polizei mache Anstalten, das Büro von Wiggins & Reilly zu durchsuchen, um Belege für den juristischen Rat zu finden, den er der Banque de Sainte-Terre gegeben hatte. Das sei ein Skandal, und er habe nicht vor, ihnen irgendeine Auskunft zu geben oder einen Schnipsel Papier auszuliefern. Laß uns morgen zusammen zu Abend essen, sagte er, vorausgesetzt, ich sitze nicht wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt im Gefängnis. Ich fragte, ob das ein Witz sein solle. Nicht ganz, sagte er, aber Sorgen mache ich mir auch nicht.
In meinem Kühlschrank war noch etwas gebratenes Huhn. Ich aß, arbeitete bis zum Spätnachmittag und sah dann die Fernsehnachrichten. Die wichtigste Meldung über Ereignisse im Inland betraf die Verhaftung von Jacques Blondet wegen des Verdachts auf wiederholte Verstöße gegen die Devisenbeschränkung, unter anderem durch illegale Ausfuhr von Goldmünzen. Sein Anwalt erschien auf dem Bildschirm, voller Entrüstung über das unerhörte Vorgehen einschließlich der Weigerung, seinen Mandanten auf der Stelle gegen Kaution freizulassen.
XXXII
Am nächsten Tag waren die Zeitungen wieder voller Berichte über l’affaire l’Occident. Henry rief mich nachmittags an und sagte, Blondet sei am Morgen gegen Kaution freigelassen worden, und er, Henry, habe mit der Unterstützung des Präsidenten der Pariser Anwaltsvereinigung erreicht, daß die Polizei sich mit leeren Händen aus dem Büro von Wiggins & O’Reilly zurückziehen mußte. Anschließend habe der Staatsanwalt verlauten lassen, er werde ihn als den Regisseur der Transaktion zur Zeugenaussage vor Gericht laden, aber das war nach Henrys Ansicht eine leere Drohung. Ein Anwalt könne nicht zur Auskunft über die Beratung eines Mandanten gezwungen werden, es sei denn, er hätte ihn beraten, wie man gegen Gesetze verstoßen kann, und so etwas habe er, Henry, nie getan und schon gar nicht im Fall l’Occident. Trotzdem wollte er unsere Verabredung zum Essen noch einmal um einen Abend verschieben. Hubert werde an diesem Tag spät in Paris eintreffen und habe ihn zu einer Besprechung früh am nächsten Morgen in sein Büro gebeten; Blondet werde auch da sein. Henry meinte, er müsse sich
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