Ehrensachen
darauf vorbereiten und noch einmal mit New York strategische Rücksprache halten.
Am nächsten Morgen las ich im Figaro einen Kommentar über den lachhaften Versuch der Regierung, sich an Blondet zu rächen, nur um von ihren eigenen Fehlern bei der Formulierung des Verstaatlichungsgesetzes abzulenken. Es gab auch einen Hinweis darauf, daß der Staatsanwalt sich nach der übereilten und ergebnislosen Razzia im Pariser Büro einer weltbekannten Anwaltsfirma auf harten Tadel gefaßt machen müsse. Le Monde hatte l’Occident auf einen kurzen Abschnitt im Wirtschaftsteil zurückgestuft. Das warengute Vorzeichen für Henry, befand ich, rief seine Sekretärin an und bat sie, ihm auszurichten, daß wir im Lucas Carton essen würden und daß er mein Gast sei. Das war nach meiner Meinung das einzige ausgezeichnete Restaurant in Paris, dessen Tische so weit voneinander entfernt standen, daß man sich wirklich unterhalten konnte, ohne belauscht zu werden. Ich kam fünf Minuten zu spät ins Restaurant und sah ihn am Tisch sitzen und mit finsterem Blick auf seinen Martini starren. Wie war’s? fragte ich ihn.
Er sagte, das wirst du gleich selbst beurteilen können, aber erst sollten wir das Essen bestellen, und er müsse noch einen Martini haben. Dann trank er allerdings noch zwei Martinis, bevor er seine Geschichte begann.
Ich habe diese Leute so satt, sagte er. Es war der übliche Rahmen; Huberts Privatbüro, er auf dem Sofa gleich neben dem Telefon – ich weiß nicht mehr, ob ich dir erzählt hab, daß er die Finger nicht von dem Apparat lassen kann –, Jacques Blondet auf dem Sessel im rechten Winkel zum Sofa, ebenfalls ein Telefon griffbereit neben sich, und ich in einem Sessel genau gegenüber von Hubert, durch den Couchtisch von ihm getrennt. Hubert befiehlt dem kambodschanischen Laufburschen, der im Büro den Kaffee serviert und gelegentlich Botengänge macht, Madame Ginette – das ist die Chefsekretärin – Bescheid zu sagen, daß er keine Anrufe entgegennehmen wird. Natürlich wissen wir alle, daß er sowieso zum Hörer greifen wird, wenn sein Privattelefon klingelt. Aber das sind wir gewohnt. Als Eröffnung hält Hubert eine Ansprache und sagt, daß ich immer einen besonderen Platz in seinem Geschäftsleben und in seinem Herzen gehabt habe, und daß er sich immer bedingungslos auf mich verlassen hat. Ich nicke bescheiden. Aber, fährt er fort, ich hätte ihn bitter enttäuscht. Er erinnert sich – und Jacques ebenfalls –, daß er mich mehrfach gefragt hat, ob die l’Occident-Transaktion legal sei, und daß ich ihm versichert habe, so sei es. Und doch sei Jacques verhaftet und sogar eine Nacht in der Santé festgehalten worden. Ob ich ihm das erklären könne? Ich antworte: Das kann ich allerdings, es ist ganz einfach. Jacques wurde nicht wegen einer Gesetzwidrigkeit bei der l’Occident-Transaktion verhaftet, sondern – such’s dir aus – entweder aufgrund eigener Verdienste oder eigener Vergehen. Genauso habe ich es nicht gesagt, aber du verstehst, worauf es hinausläuft.
Aber es ist doch wegen der l’Occident passiert? fragt Hubert. Sehr wahrscheinlich, antworte ich. Die Regierung ist wütend auf euch beide, aber wenn ihr sie nicht reingelegt hättet, wäre sie vielleicht nicht im geringsten an Verstößen gegen die Devisenbeschränkung interessiert. Ich habe versucht, euch genau davor zu warnen: daß die Regierung euch an den Kragen gehen würde.
An dieser Stelle unterbricht mich Jacques und sagt: Das ist ja alles schön und gut, aber Sie haben Hubert und mir nicht erklärt, daß jemand dafür ins Gefängnis kommen würde.
Ich habe ihnen offenbar immer noch nicht klargemacht, wie der Hase läuft, fuhr Henry fort, also sage ich, inzwischen verärgert: Versteh doch, Hubert, die Regierung versucht nicht mal, die l’Occident-Transaktion außer Kraft zu setzen oder dich ihretwegen unter Anklage zu stellen. Aber sie werden dir alles mögliche andere anhängen. Du kannst darauf wetten, daß der Steuerfahnder, der Jacques’ Abgaben überprüft, Anweisung hat, ihn zur Strecke zu bringen. Und du selbst, Hubert: Wer weiß nicht, daß du deinen Lamborghini viel zu schnell fährst? Ich würde mich nicht wundern, wenn irgendwo in der Nähe deines Hauses eine Verkehrskontrolle auf dich wartet und strikte Anordnung hat, dich zu schnappen.
Danach sind sie einen Moment lang still, und ich bitte um eine zweite Tasse Kaffee. Hubert drückt auf einen Knopf, und der Kambodschaner kommt, bringt den Kaffee undgeht
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