Ehrensachen
möchte dich nicht irreführen. Wie du weißt, habe ich schon seit langem »Mandanten« gleichgesetzt mit Hubert und seinen Unternehmen. Ich habe dir Zug um Zug beschrieben, wie er sich in der l’Occident-Angelegenheit verhielt. Seit Jahren haben wir über meine Arbeit für ihn gesprochen und über die Freundschaft, die zwischen uns entstand. George hat wahrscheinlich noch viele Lücken in der Geschichte gefüllt; er hatte schon immer eine Schwäche für Büroklatsch. Trotzdem weiß ich nicht,wie du begreifen könntest, was ich jetzt mal ohne Bescheidenheit das ganze Ausmaß meiner Leistung nennen will. Ich möchte versuchen, dir eine Vorstellung davon zu vermitteln – auf die Gefahr hin, daß du mich für einen Hochstapler hältst. Ganz einfach: Bis vor ein paar Wochen – einem Monat vielleicht – hätte keiner von Huberts unterwürfigen Gefolgsleuten auch nur in Gedanken bestritten, daß ich den Boß tadellos berate. Ich habe die Eigentumsverhältnisse in seinen Gesellschaften geklärt und ihm damit Millionen und Abermillionen gerettet. Ich habe ihn vor unendlich vielen hirnrissigen Projekten bewahrt, mit denen er über den Tisch gezogen worden wäre. Ich habe ihn aus krummen, unsauberen Geschäften herausgehauen, die seinen Ruf in Gefahr brachten. Allein mit diesem Occident-Schachzug wird er sein Geld innerhalb von zwei Jahren verdoppeln, und er hat richtig viel Geld. Ich habe mich geweigert, die Occident-Transaktion durchzuziehen, deshalb kann man bestreiten, daß sie auf mein Konto geht, das begreife ich, aber ohne mich hätte es diesen Handel nicht gegeben. Also stehen mir vielleicht fünfzig Prozent vom Kredit zu. Ich könnte dir andere Beispiele aufzählen, aber in welchem Kontext seine Undankbarkeit steht, begreifst du auch so. Den Negativposten, daß Hubert nun bis zum nächsten Regierungswechsel auf den Kommandeursrang in der Ehrenlegion warten muß, kann ich nicht in Geldwert umrechnen. Die Unkosten des verwundeten Stolzes müssen erheblich gewesen sein. Seinen Wutanfall nach dem Telefonat mit dem französischen Botschafter hätte ich widerwärtig gefunden. Andererseits kann er den Sozialisten die Schuld an der Beleidigung zuschieben, und das wird den Schmerz lindern. Na ja, ich bin auch fähig zu Wutanfällen. Erinnerst du dich, daß Hubert mir im Grand Véfour Les Illusions Perdues überreicht hat? Ich habe dir davon erzählt.
Ich nickte.
Das Geschenk verriet seine Intelligenz, die durchdringend und fast gespenstisch subtil ist. Er versteht mich. Du siehst, ich billige ihm zu, was er verdient. Er wußte, daß ich trotz allem Scharfsinn, aller Erfahrung als Anwalt und trotz meiner Lebensgeschichte – meiner nicht gerade glücklichen Kindheit und der überstürzten Amerikanisierung, nach denen er mich genau ausgefragt hat – insgeheim ein blauäugiger Romantiker war! Voller Illusionen, auch über mein Verhältnis zu ihm! Ich habe auf diesem und anderen Gebieten einiges dazugelernt, aber vorläufig berichte ich nur, wie ich zu ihm stand und was sich daran geändert hat. Ich mache mir über Hubert keine Illusionen mehr. Sie gingen mir schon verloren, bevor er mir die Ohrfeige versetzte, aber offenbar konnte ich noch nicht in Worte fassen, was ich sah. Es gab also Vorfälle, bei denen es mich schüttelte; das registrierte ich, zog aber keine Konsequenzen daraus. Ich gebe dir gleich zwei Beispiele, ein ernstes und ein komisches. Jacques Blondet ist noch so ein undankbarer Scheißkerl, den ich unzählige Male gerettet habe, als er den Hals schon in der Schlinge hatte. Hauptsächlich habe ich Abschlüsse für ihn nachverhandelt, bei denen er zuviel vom Geld des Chefs auf dem Tisch liegengelassen hatte, in Huberts Augen ein Kapitalverbrechen. Gewöhnlich gelang es mir, einiges von dem Geld wiederzuholen, so daß der Abschluß besser aussah. Zu meiner Überraschung erfuhr ich, daß Jacques ausgerechnet im Zusammenhang mit diesen Hilfsaktionen das Gerücht verbreitete, ich wäre wie Shylock immer auf mein Pfund Fleisch aus, während er darauf achtete, daß die Eleganz von Huberts fairem Verhandlungsstil gewahrt bliebe.
Ich nickte in Erinnerung an Blondets Bemerkungen in Brüssel.
Solchen Schwachsinn würde ich normalerweise nicht weiter beachten, und Einfluß auf meine Gefühle gegenüberHubert hätte das Gerede ganz sicher nicht. Aber ein anderer von Huberts Lakaien hat mir gesteckt, daß Hubert über Blondets Spiel genau unterrichtet war und sich bestens amüsierte. Eins kam zum anderen, und ich
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