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Ehrensachen

Ehrensachen

Titel: Ehrensachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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Die Unterdrückung von abweichenden Meinungen und neuen Ideen – darauf zielten die Inquisition und die Kirche mit ihrem Versuch, die Naturwissenschaften mundtot zu machen – richtete sich nicht nur gegen die Protestanten. Die Gegenreformation hatte auch die humanistischen Ideale, diese Hauptantriebskraft der Renaissance, im Visier. Wie auch immer, nach dem Romain-Rolland-Zwischenfall dachte ich wieder, ich hätte es überstanden und könne mich entspannen. Nichts da: Jetzt fragte der Botschafter mich nach Polen aus, aber nicht einfach nach meinen persönlichen Erfahrungen. Im Gegenteil. Ihn interessierte meine Meinung zu dem Problem mit Juden, die zur Assimilation nicht willens oder nicht fähig seien, und damit meine er nicht nur die sehr religiösen orthodoxen oder chassidischen Juden, sondern auch die ignorante Unterklasse, die Jiddisch sprach und die Landessprache nicht lernte. Mit diesem Problem seien die Regierungen in Polen und Rumänien sehr belastet, sagte er. Vielleicht erwähnte er auch Ungarn. Und die christliche, nationalistische Bevölkerung dieser Länder ebenfalls. Ich gab keine Antwort, deshalb fragte er, ob ich mit dem Jiddischen aufgewachsen sei. Nein, sagte ich. Aber Sie sprechen Jiddisch? sagte er dann mit seiner dünnen Stimme im selben Tonfall wie Mrs. Standish. Als würde er den Mund erst aufmachen, nachdem er jedes Wort einzeln mit der Zange angefaßt und untersucht hat. Nein, sagte ich wieder.
    Aha, sagt er, Sie sind in einer polnisch sprechenden, der polnischen Kultur zugehörigen Familie aufgewachsen.
    Ich nickte.
    Ob du’s glaubst oder nicht: Daraufhin fragte er, ob ich, aufgrund meiner nicht-religiösen Erziehung, seine Einschätzung teile, daß diese nicht assimilierten Horden – das Wort benutzte er, ich habe es mir nicht ausgedacht – ein Problem seien, das, ob man wolle oder nicht, dringend nach einer Lösung verlange.
    Jetzt sah ich rot und dachte nicht mehr an die Hornungs und ihre niederländische Kunst, es war mir egal, ob sie mich aus dem Haus werfen würden. Also fragte ich ihn, warum seiner Meinung nach die klugen Leute, denen es nicht paßte, daß Juden sich nicht assimilierten, diese Menschen in Ghettos gesperrt hatten – bevor sie darauf kamen, daß es noch effizienter war, sie umzubringen? Verhinderten Ghettos nicht gerade die erwünschte Assimilation?
    Das brachte ihn nicht so auf, wie ich erwartet hatte. Er belehrte mich, daß ich in meinem Alter und bei meiner nicht-religiösen polnischen Familie selbstverständlich kaum mit dem Problem konfrontiert worden sei, und dann fing er an, Namen von polnischen Adligen aufzuzählen, mit denen er eng befreundet und auf Bärenjagd gegangen war, und wollte wissen, ob meine Familie sie gekannt habe: Graf Potocki vielleicht und Graf Zamoyski und Fürst Radziwill und so weiter und so weiter. Ich sagte, soweit ich wisse, hätten sie nicht zu unseren Bekannten gehört – mit einer Ausnahme: Ich hätte gehört, daß einer meiner Großonkel einen anderen polnischen Magnaten, den Fürsten Sapieha, immer mit Mistfuhren beliefert habe.
    Hier schaltete sich nun Mrs. Hornung ein. Sie sagte, ja wirklich, die Welt ist so düster und gefährlich, und Mr. Hornung – vielleicht verstand er den Wink, daß ein Themenwechsel angebracht war – setzte zu einer langen Rede über Truman an und führte aus, daß es notwendig werden könnte, ein, zwei Atombomben auf die Chinesen zu werfen. Daraufhin ging Margot steil in die Luft. Sie sagte, die Atombomben auf Japan seien ein Verbrechen gewesen, das man Amerika nie vergessen werde, wie könne er auch nur mit dem Gedanken spielen, noch einer Nation in Asien eine solche Ungeheuerlichkeit anzutun! Sie stritten sich heftig, und der Botschafter trug das Seine dazu bei, indem er uns erklärte, daß alle Sentimentalität schweigen müsse, wenn esum nationales Eigeninteresse gehe. Nach meiner Meinung hat keiner gefragt.
    Ich gratulierte Henry dazu, daß er sich so gut geschlagen hatte.
    Nicht gut genug, sagte er. Wenn ich es noch mal zu tun hätte, würde ich dem alten Knacker ganz anders die Meinung sagen.
    Nach dem Kaffee, fuhr Henry fort, als ihr Vater und der Botschafter sich wieder beruhigt hatten und über Investitionen diskutierten, fragte Margot, ob ich sie zu einem Nachtclub begleiten würde, in dem eine schwarze Sängerin, Mabel Mercer, auftrat. Ich ließ mir nicht anmerken, daß ich den Namen noch nie gehört hatte, denn ich sah, daß Margot und ihre Eltern ganz begeistert waren. Plötzlich fiel

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