Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ehrensachen

Ehrensachen

Titel: Ehrensachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
Vom Netzwerk:
mir ein, daß Margots Mutter selbst in Nachtclubs aufgetreten war. Wahrscheinlich hätte ich wissen müssen, wer die Sängerin war, und sie vielleicht auch schon mal gesehen haben sollen. Daß ich mit Margot überallhin gegangen wäre und jedem Song zugehört hätte – sogar »Baby It’s Cold Outside« –, weißt du ja. Wir machten uns also auf zu einem kleinen Nachtclub nicht weit von der Wohnung ihrer Eltern, zwanzig Querstraßen stadteinwärts, an der East 54 th Street. Als sie fragten, ob wir Plätze reserviert hätten, fürchtete ich, sie würden uns vielleicht nicht einlassen, aber sie taten es. Sie gaben uns sogar einen guten Tisch. Mabel Mercer ist dick, aber sexy. Ihr Akzent ist überraschend englisch. Margot war begeistert von ihrem Auftritt, und mir gefiel er auch sehr, das muß ich sagen. Ich hatte gedacht, man würde uns nicht bedienen, aber als wir zwei Scotch mit Soda bestellten, bekamen wir sie, und niemand fragte nach unserem Alter. Zwei Whiskeys schienen ungefähr angemessen zu sein, aber als ich sah, daß man ein bestimmtes Minimum verzehren mußte, sagte ich: Bringen Sie uns noch zwei, bitte. Jetzt kürze ich die Geschichte ab: Als ich dieRechnung, das Trinkgeld für den Kellner, das Taxi zu Margot nach Hause und ein Trinkgeld für den Fahrer bezahlt hatte, merkte ich, daß ich buchstäblich meinen letzten Penny ausgegeben hatte. Kein Geld mehr für die U-Bahn nach Hause. Immerhin hatte ich sie wenigstens küssen dürfen, nicht an der Haustür, wegen des Portiers, aber irgendwo auf der Mitte zwischen zwei Querstraßen. Sie öffnete beim Küssen sogar den Mund.
    Und du hast nicht gefragt, ob sie dir das Fahrgeld für die U-Bahn leiht?
    Nein. Das konnte ich doch nicht. Sie hätte sich Vorwürfe gemacht, daß sie mich um mein ganzes Geld gebracht hatte. Ich dachte, ich könnte nach Hause laufen, aber um drei Uhr morgens war ich erst bis zur Bowery gekommen. Bei der Vorstellung, daß ich über die Manhattan Bridge und immer weiter bis nach Flatbush laufen mußte, also mindestens noch anderthalb Stunden unterwegs wäre, verließ mich der Mut. Da sah ich vor einem verrammelten Leihhaus einen freundlich aussehenden jungen Polizisten stehen. Ich ging zu ihm und erzählte ihm, was mir passiert war. Ich sagte, wenn er mir ein Zehncentstück leihen und seinen Namen nennen würde, würde ich ihm einen Papierdollar zurückschicken. Oder auf dem Revier abgeben. Er sagte, hier, nimm einen Vierteldollar und schlaf dich aus. Als ich zu Hause war, schlief ich tatsächlich wie ein Baby, obwohl ich gedacht hatte, ich würde vor Aufregung kein Auge zutun können.
    Ich sagte, seine Chancen, Mr. Hornungs Schwiegersohn zu werden, seien deutlich gestiegen.
    Henry lächelte. Ich wäre mit viel weniger zufrieden.

X
    Kurz nach Beginn des neuen Semesters aß Henry mit den Appleton-Schwestern in ihrem Haus am Louisburg Square zu Abend. Die Einladung kam mit der Post, ohne daß George oder ich erwähnt wurden. Henry fragte mich, was er tun solle. Ich riet ihm, hinzugehen. Es sei auf jeden Fall amüsant, zu sehen, wie die Schwestern wohnten, und uns würden sie wahrscheinlich ein anderes Mal einladen. Das werden wir sehen, sagte Henry. Margot kommt bestimmt nicht, wenn sie weiß, daß George da ist. Aber er wollte die Einladung annehmen.
    Ich ging am Abend der Party ins Kino: Als ich wieder ins Wohnheim kam, war Archie noch unterwegs, aber Henry war da und las. Ich fragte ihn, ob es ihm gefallen habe. Er schüttelte den Kopf und erklärte, es sei schrecklich gewesen. Weeks, der Mann, der den Wall im Atlantic Monthly rezensiert hatte – Susie hatte ihn beim Essen in Stockbridge erwähnt –, war gekommen; offenbar hatten sie sich vorgestellt, daß wir über den Roman und wahrscheinlich allgemein über den Krieg in Polen sprechen würden. Dabei hatte ich ihnen gesagt, daß ich genau das nicht wollte: beim Dinner über dieses Thema diskutieren. Also mußte ich wieder lügen. Das war mir zuwider.
    Was meinst du damit? fragte ich.
    Ich meine damit, daß ich gelogen habe, als ich Susie und Ellen erzählte, ich hätte diesen verdammten Roman nicht gelesen. Natürlich hatte ich ihn gelesen. Und dasselbe habe ich wieder behauptet. Daß ich ihn immer noch nicht gelesen hätte, sagte ich.
    Das ist doch völlig harmlos, beruhigte ich ihn, aber warum hast du überhaupt geschwindelt? Hast du das Buchgehaßt, wolltest aber Susie und Mr. Weeks nicht widersprechen? fragte ich.
    Henry stöhnte. Natürlich wollte ich weder ihr noch Mr. Weeks

Weitere Kostenlose Bücher