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Ehrensachen

Ehrensachen

Titel: Ehrensachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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nicht. Ich liebe sie. Daran wird sich nichts ändern. Jetzt kümmere ich mich erst mal um meine Semesterarbeiten. Ach, übrigens war ich bei ihr zu Hause, fügte er dann hinzu, ich habe tatsächlich ihre Eltern kennengelernt.
    Wirklich?
    Im Zug nach New York fragte sie, wann ich wieder nach Cambridge fahren wollte. Dabei kam heraus, daß sie am selben Nachmittag wie ich abreisen würde, also lud sie mich für den Abend davor nach Hause zum Dinner ein. Das Apartment ist unglaublich. Es geht über ein ganzes Stockwerk in der Park Avenue. Du kommst aus dem Fahrstuhl und stehst direkt in der Wohnung, es gibt keine Türklingel und keine Wohnungstür, nur einen Mann, einen Butler wie bei den Standishs, der dich empfängt und ins Wohnzimmer führt. Gott sei Dank habe ich guten Abend zu ihm gesagt.Gesehen habe ich nur Wohnzimmer, Eßzimmer und Bibliothek, und ich kam mir vor wie in einem Museum, das ist kein Witz. Mr. Hornung sammelt niederländische Zeichnungen und Gemälde. Er mag auch niederländische Möbel. Der einzige andere Gast war ein sehr langer alter Mann, vor dem Krieg US -Botschafter in Rumänien oder Ungarn oder irgendwann auch in beiden Ländern. Mr. Hornung und der Botschafter waren im Smoking, und Mrs. Hornung hatte ein langes Kleid an. Margot hatte mich vorgewarnt. Sie sagte, ihre Eltern tragen jeden Abend zum Dinner förmliche Kleidung, aber ich müsse das nicht, und sie würde auch keinen langen Rock anziehen.
    Ich fragte, ob der Abend ein Erfolg gewesen sei.
    Seltsam war es, aber alles in allem ganz in Ordnung. Gleich zu Anfang fragte mich der Vater, wann meiner Meinung nach die Renaissance zu Ende gewesen sei. Eisiges Schweigen im Raum, nur der Butler sagte: Sir, hier ist Ihr Martini. Ich war wie versteinert, ich dachte, ich würde meinen Drink verschütten, aber ich ließ mir Zeit mit der Antwort. Endlich sagte ich, ein genaues Datum könne ich nicht angeben, aber ich sei mir fast sicher, daß die aufkommende Gegenreformation das Ende der Renaissance eingeläutet habe. Irgendwann nach dem letzten Konzil von Trient. Als ich dies herausgebracht hatte, wurde mir ganz flau. Ich fragte mich, ob er mich jetzt auffordern würde, sein Haus auf der Stelle zu verlassen und nie wieder über seine Schwelle zu treten, oder mich einfach einen aufgeblasenen Scheißkerl nennen würde. Aber nein, er sah mich nachdenklich an und sagte: Ganz plausibel, wirklich recht plausibel. Natürlich gebe es lokale Verschiedenheiten. Danach brach er eine Erörterung über Rubens und Rembrandt vom Zaun, der ich nicht wirklich folgen konnte, also nickte ich immer nur. Dann wurde das Essen serviert, und kaum saßen wir, fragte er mich nach Polen aus. Das war nicht allzu schlimm. Nachder Feuerprobe mit den alten Damen in Stockbridge wurde ich ganz gut damit fertig und konzentrierte mich auf den Krabbensalat, der sehr gut schmeckte. Dann, als gerade der Kalbsbraten mit Morcheln in Sahnesauce herumgereicht wurde, fragte Mr. Hornung auf einmal, ob ich in der Zeit, als meine Mutter und ich uns verstecken mußten, ein Buch gelesen hätte, das mein absolutes Lieblingswerk geworden sei.
    Ich dachte, Ivanhoe sei nichts für Gebildete, also sagte ich: Jean Christophe . Er war ganz aufgeregt vor Freude. Ach wirklich, sagte er, Romain Rolland. Wie sind Sie auf ihn gestoßen? Ich erzählte ihm, daß Pani Maria die einzige war, die mir Bücher zu lesen gab, und daß sie dieses besonders empfohlen hatte. Wahrscheinlich, weil sie Beethoven liebte und seine Klaviersonaten spielte. Ah, rief Mr. Hornung, Jean Christophe war meine Bibel, als ich jung war! Beethoven habe ich auch gespielt! Haben Sie dieses große Werk im ganzen gelesen? Ich antwortete: Sicher nicht alle zehn Bände – wenn die Zahl stimmt. Das Buch, das ich las, war ziemlich dick, aber vielleicht eine gekürzte Fassung. Er lachte mich mit diesem offenen Lächeln an und sagte, es lohne die Mühe, eines Tages das ganze Werk von Anfang bis Ende zu lesen. Möglichst auf französisch, denn es ist wunderbar geschrieben. Er verstehe, daß ich im Moment wahrscheinlich nicht dazu komme, weil wir so viel für unsere Kurse arbeiten müssen, aber vielleicht später oder in den Ferien.
    Woher hast du die Idee mit der Gegenreformation? fragte ich Henry.
    Ich wette, du denkst, ich habe aus der Hüfte geschossen, so wie immer. Aber in Wahrheit habe ich schon eine ganze Weile darüber nachgedacht. Ich weiß nicht, ob ich recht habe oder ob meine Theorie vernünftig ist, aber mir hilft sie, zu verstehen.

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