Ehrensachen
Selbstverständlich waren wir nicht in der gleichen Situation. Sein Vater war im Aufsichtsrat der Universität und hatte mit der Investition ihres Stiftungsvermögens zu tun. Wenn George die Einladung, in einem Haus zu wohnen, abgelehnt hätte, weil er meinte, seine Mitbewohner seien schlecht behandelt worden, dann hätte jemand Ärger gemacht, und ein Dekan oder sogar der Präsident hätten ein ernstes Wort mit dem Hausherrn gesprochen. Danach würde der Hausherr dreimal überlegen, bevor er sich wieder eine solche Nummer erlaubte. Es war auch nicht ausgeschlossen, daß er auf wundersame Weise doch noch einen Platz für Henry und Archie im Haus gefunden hätte. Dagegen wäre meine Weigerung, in das Haus einzuziehen, eine Donquichotterie gewesen, die keinen derMächtigen interessiert hätte. Es gab auch noch einen anderen Unterschied: mein Bedürfnis, allein zu wohnen, das sehr real war und das George vollkommen fremd sein mußte. Selbst wenn ich mit Henry und Archie in die Mount Auburn Street gezogen wäre, hätten wir nicht mehr eine Wohnung geteilt. Ich hätte auch dort auf einem Apartment für mich allein bestanden.
Trotzdem hatte ich im Sommer beschlossen, meine Freundschaft mit Henry und Archie, jetzt, da wir nicht mehr zusammenwohnten, besonders zu pflegen. Zum Beispiel meinte ich, ich müsse sie gleich nach meiner Ankunft in Cambridge anrufen und vorschlagen, daß wir zusammen in den Speisesaal des Hauses gingen, statt sie dort zufällig zu treffen. So, wie ich sie kannte, mußten sie sich als Eindringlinge fühlen, auch wenn von ihnen erwartet wurde, daß sie, da sie dem Haus assoziiert waren, dort aßen. Dasselbe galt für den Gemeinschaftsraum und die Bibliothek. Schwierig fand ich es auch, sie in meine Suite einzuladen. In keinem der Häuser gab es bessere Zimmer, und ich wollte nicht so wirken, als riebe ich ihnen mein Glück gedankenlos unter die Nase. Und sie hielten es vielleicht nicht für Glück, sondern für eine Bevorzugung, die dem Seniortutor zu verdanken war. Meine Sorge war unnötig. Durch Henrys und Archies unangekündigten Besuch löste sich das Problem von selbst.
Tom Peabody, der Seniortutor, hatte mir geraten, mich während meiner Rekonvaleszenz nur für höchstens zwei statt der üblichen vier Kurse anzumelden. Er hatte recht. Alles was ich anfing, schien doppelt soviel Zeit wie unter normalen Umständen zu kosten. Jeder meiner wöchentlichen Untersuchungstermine im Massachusetts General dauerte einen ganzen Vormittag. Der Zahnarzt in Pittsfield, der unsere Familie immer schon behandelt hatte, setzte mir anstelle meiner fehlenden Schneidezähne ein Provisorium ein, mit dem ich beim Kauen sehr vorsichtig sein mußte. Für die endgültige Sanierung überwies er mich an Dr. Fine, seinen Bostoner Kollegen in der Newberry Street. Ich schätzte weder den Mann noch seinen Witz, daß er mir mit seiner Arbeit das schönste Lächeln im ganzen Country Club basteln werde. Die beiden Brücken, die ich brauchte, kosteten auch allerhand Zeit: sieben Sitzungen innerhalb von drei Wochen. Die Novocain-Spritzen verdarben mir die Laune genauso wie die Kosten der Behandlung, die weder durch die Krankenversicherung für Harvard-Studenten gedeckt waren, noch, soweit ich wußte, durch die Versicherung der Bank, die mein Vater ohnehin zugunsten meiner Studentenversicherung gekündigt hatte. Vielleicht gab es billigere Zahnärzte, aber Dr. Jacobs hatte mir eingeschärft, an meinen Schneidezähnen dürfe ich nicht sparen, nicht einmal mit dem Gedanken solle ich spielen, und ich glaube, daß er mehr an meinem Wohl interessiert war als daran, seinem Freund zu einem guten Honorar zu verhelfen. Ich nahm an, daß meine Eltern, wenn nötig, zahlen würden, obgleich die Summe, die aufgebracht werden mußte, höher war als der Preis für einen neuen Buick, aber inzwischen war es mir lieber, mich in Geldfragen an Mr. Hibble zu wenden. Er erklärte sich sofort bereit, das Geld zu überweisen. Im Zuge unserer Unterhaltung erfuhr ich auch, daß er bereits den Teil der Kosten für den Chirurgen und die Klinik in New Orleans bezahlt hatte, der nicht von der studentischen Krankenversicherung übernommen worden war, und außerdem mein Flugticket. Als ich mich für diese unerwarteten Kosten entschuldigte, rief er ho! ho! ho! und sagte, die Sorgen darüber solle ich ihm überlassen. Ich fragte mich langsam, ob der Trust nicht größer war, als er mich hatte glauben lassen. Eine andere Hypothese war, daß der Herr milder geworden
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