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Ehrensachen

Ehrensachen

Titel: Ehrensachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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war, weil ich den Standish-Erben beschützt hatte. Mr. Hibbles Nachgiebigkeit machte mich jedoch nicht blind für die Veränderung in meiner eigenen Einstellung zum Geld. Als ich noch glaubte, daß meine Eltern für meine Monatswechsel und Schulrechnungen aufkamen, machte ich mir darüber keine Gedanken, ich wollte nur so schnell wie möglich der Lektion entkommen, die jedesmal folgte, wenn ich versuchte, meinem Vater Extrageld aus der Tasche zu ziehen. Dabei ging es nie um große Beträge: Ich hatte kein Interesse an Skistiefeln oder Skiern oder Kleidungsstücken. Als ich jedoch begriff, daß der Trust eine gewisse Summe in unbekannter Größenordnung enthielt, die mir gehörte – oder jedenfalls meinem Nutzen vorbehalten war –, und daß jede Entnahme von Bargeld und jeder Wertpapierverlust diese Summe verringerte, widerstrebte es mir, Geld auszugeben. Diese Rücklage war mein sicherer Anker; eine andere Sicherheit erwartete ich nicht, denn meine Mutter hatte mir immer wieder eingehämmert, daß nach dem Tod meines Vaters nur Schulden und die Hypothek auf dem Haus übrig sein würden.
    Zu seiner eigenen Überraschung wurde Archie in einen Studentenclub aufgenommen, der nicht auf der untersten Stufe der gesellschaftlichen Rangordnung war, und sehr schnell verschlang das Clubleben – Zechrunden und festliche Dinners für die Alten Herren – den größten Teil seiner Zeit. Eine der Merkwürdigkeiten seines Clubs war, daß kein Mensch die Mitglieder zu kennen schien. Anfangs glaubte ich sogar, daß dieser Club gar nicht existierte. Erst als Archie Mitglied wurde und ich die Clubkrawatte, die er jeden Tag trug, von anderen unterscheiden konnte, entdeckte ich, daß ich mich geirrt hatte: Im Speisesaal des Hauses identifizierte ich tatsächlich ein zweites Clubmitglied. Vielleicht wegen einer zurückliegenden dunklen Missetat, vielleicht weil die Mitglieder keine Verbindung zur guten Gesellschaft vonBoston hatten, wirkte der Club nicht die Wunder, die Archie sich erhofft hatte. Man wurde nicht selbstverständlich zu Einführungspartys eingeladen. Man mußte sich darum kümmern. Auch war weder der Zutritt zum Hasty Pudding selbstverständlich, noch zu dem Club, in dem die kunstbeflissenen Studenten aßen. Archie wäre gern Mitglied des Hasty Pudding geworden, wegen der allwöchentlichen Tanzabende, wurde aber nicht ausgewählt. Zu meinem Ärger lud der Kunstclub Henry nicht ein. Schlimmer noch: Jemand erzählte ihm, ein älterer Student habe damit angegeben, daß er Henrys Kandidatur abgeschmettert habe und jeden zukünftigen Versuch, ihn auf die Kandidatenliste zu setzen, ebenfalls blockieren werde. Das war die zweite Ablehnung, die Henry widerfuhr, und sie machte ihm wie die erste sehr zu schaffen, so sehr, daß er zur Mittagszeit oder wenn eine Tee- oder Cocktailparty in Gang war, nicht am Clubhaus vorbeigehen mochte. Folglich kam er auf seltsamen Umwegen zum Speisesaal unseres Hauses. Ich konnte es ihm nicht verdenken. Nur daß er in Brooklyn wohnte und dort zur Schule gegangen war, unterschied ihn von anderen Kandidaten, davon abgesehen entsprach er dem Stereotyp eines Clubmitglieds so genau, daß man ihn entweder selbstverständlich für eines hielt oder fragte, warum er keines sei, und in beiden Fällen Henry in peinliche Verlegenheit brachte. Gewöhnlich antwortete er – manchmal, bevor man ihn fragte –, daß es für ihn ausgeschlossen sei, einer solchen Institution beizutreten. Seine Eltern könnten die Gebühren oder die zusätzlichen Kosten für Mahlzeiten nicht aufbringen, da für das Essen im Haus ohnehin bezahlt werden mußte. Mir schickte der Club eine Einladung, aber ich reagierte nicht darauf. Erstens kam sie zu einer Zeit, als es mir bereits extrem schwerfiel, mich zu irgendeiner Aktivität aufzuraffen. Und dann wollte ich vielleicht auch wenigstens einmal solidarisch mit Henry sein, als ob dadurchwiedergutzumachen wäre, daß ich durch die Tür gegangen war, die der Leiter meines Hauses ihm vor der Nase zugeschlagen hatte.
    Der Seniortutor Mr. Peabody, oder Tom – er hatte mir angeboten, ihn so zu nennen –, zeigte weiterhin eine ausgeprägte Sympathie für mich, passend zu seiner allgemein bekannten Schwäche für Kollegiaten, die einem bestimmten Bild von karolingischen Rittern entsprachen. Ich glaubte nicht mehr, daß der Grund seiner Aufmerksamkeit die Hausarbeit war, die ich im zweiten Semester meines ersten College-Jahres geschrieben und die er mit Sehr gut plus bewertet hatte. Diese

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