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Ehrensachen

Ehrensachen

Titel: Ehrensachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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sagte, das sei ja wunderbar, er müsse von Madeleine allerhand gelernt haben, das er Margot jetzt zeigen könne.

XVIII
    Georges Appetit auf käuflichen Sex hatte nicht nachgelassen. Selbst in der nüchternen Kleinstadt Reims, wo wir einmal über Nacht blieben, verlangte er, bockig wie ein kleiner Junge, der unbedingt mit dem Spielzeug eines anderen Kindes spielen will, daß wir den Bahnhofsbezirk durchstreiften, die Gegend, die ihm vielversprechend vorkam, und nach einer Bar oder einer Straßenecke Ausschau hielten, wo der magische Kontakt aufgenommen werden könnte. Ich zottelte gewöhnlich so lange mit, bis seine Transaktion unmittelbar vor dem Abschluß stand, machte dann kehrt und ging allein zum Hotel zurück. Meistens schlief ich, wenn er wiederkam, oder ich tat so. Sonst würde er sich an mein Bett setzen und bis in die kleinsten Einzelheiten beschreiben, wieviel er wofür bezahlt hatte. Wenn ich mich totstellte, schob er seinen Bericht bis zum nächsten Morgen auf. Ein einziges Mal, in Paris, blieb ich nicht bei meiner Abstinenz. Eine Cousine von May Standish und deren Ehemann hatten uns eingeladen, mit ihnen im Restaurant des luxuriösen Hotels an der Place Vendôme zu Abend zu essen. Später tranken George und ich noch etwas an der Bar. Georges Cousin leitete das politische Ressort an der amerikanischen Botschaft, und wir redeten über die Mischung aus Klatsch und Propaganda – dafür hielt ich seine Äußerungen –, mit der dieser Mann das Tischgespräch beherrscht hatte. Er war überzeugt, daß man den kommunistischen Aufständischen in Vietnam das Handwerk legen müsse. Da die Franzosen unfähig seien, das allein zu regeln, sei es unsere Pflicht, sie mit Geld und Versorgungsgütern zu unterstützen. Ich fragte ihn, ob das heiße, daß wir Truppen ins Land schicken müßten. Wenn unbedingt nötig, dann ja, erklärte er mir, aber man müsse alles tun, dies aufbesondere Situationen zu beschränken. Ein Glück, daß wir für die Schwerarbeit dort die Franzosen hatten. George und ich waren frankophil und deshalb spontan begeistert von der Idee, den Franzosen zu helfen. Aber wir glaubten an Dekolonisierung und hatten beide Man’s Fate gelesen. Wir fragten uns, ob irgend jemand, den die Franzosen und indirekt auch wir unterstützten, es mit Ho Chi Minh aufnehmen konnte. Setzten wir auf das richtige Pferd? Es war schwierig, mit Georges Cousin über diese Fragen zu diskutieren. Er wußte zuviel, und sein Urteil stand fest. Bei dem einen Drink an der Bar blieb es nicht. Nicht mehr ganz nüchtern verließen wir das Hotel durch den Ausgang zur Rue Cambon. Fast sofort wurden wir angesprochen. Ein genau bezeichneter besonderer Dienst wurde uns in Aussicht gestellt, und mir schwindelte. Ich stützte mich auf Georges Arm und sagte: Komm, das machen wir. Wir mußten nicht weit laufen. Die Dienstmädchenkammer, die sie ihr Studio nannten, lag in der Rue du Faubourg St. Honoré, fünf Treppen hoch am Ende eines langen, kriegsschiffgrau gestrichenen Flurs. Darin standen ein Doppelbett, ein Waschtisch und ein Bidet. Die beiden waren Transvestiten. Als George eine zweite Runde und Partnertausch vorschlug, war ich einverstanden. Wir gingen erst am frühen Morgen.
    Nach Reims waren wir wegen der Kathedrale gekommen und auch, weil wir nach einer Übernachtung dort leicht Verdun und die umliegenden Schlachtfelder erreichen konnten. Im Anschluß daran wollten wir direkt nach Dijon weiterfahren, wußten aber nicht, ob wir passend zu einem späten Abendessen ankommen würden, wenn wir Verdun gerecht werden wollten. Beim Frühstück war Georges Rückblick auf das Ende des vergangenen Abends weniger überschwenglich als sonst ausgefallen. Ich trank weiter Kaffee, während er die Straßenkarte studierte.
    Ich habe eine Idee, sagte er. Was würdest du davon halten, wenn wir von Verdun nach Nordwesten fahren statt nach Süden, und bei Henry Station machen. Vielleicht bieten uns die van Dammes ein Nachtquartier an.
    Ich sah mir mit ihm die Straßenkarte an. Der Weg von Verdun nach Bayencourt war nicht weit. Aber konnten wir so etwas machen, jetzt, da wir beide über Henry und Madame van Damme Bescheid wußten? Selbst wenn Henry mir nicht erzählt hätte, daß er mit George gesprochen hatte, wäre mir eine Begegnung unbehaglich gewesen. Aber als Nutznießer von Henrys Indiskretion würden wir beide durch das Prisma schuldbewußter Mitwisserschaft auf Henry und Madame van Damme blicken. Und ihm wäre klar, was für eine Klamotte wir

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