Ehrenwort
nächsten Tag zu gedulden. Auch Max und Mizzi konnten ihr von Berlin aus nicht beistehen. Im Übrigen war die Gefahr ja vorerst gebannt.
Sie schlief wenig in dieser Nacht. Am Samstag versuchte sie mühsam, das Bohnerwachs zu entfernen. Erneut rutschte sie auf den Knien herum, streute diesmal Scheuerpulver auf die Schlitterbahn, schrubbte mit heißem Wasser und legte am Ende sogar noch einen zusätzlichen Teppich neben den Läufer. Danach machte sie Frühstück für den Alten und wagte es erst um neun Uhr, ihren Mann anzurufen. Der hatte natürlich das Handy ausgeschaltet. Daraufhin versuchte sie es bei ihren Kindern und hatte ebenfalls kein Glück. Na gut, bei denen war ja klar, dass sie bis in die Puppen schliefen. Petra machte sich, völlig übernächtigt, eilig auf den Weg. Samstags kamen immer viele Kunden in ihren Laden, sie musste sich auf die Arbeit konzentrieren und konnte nicht dauernd versuchen, ihren Mann oder ihre Kinder anzurufen. Wirre Gedanken schossen ihr durch den Kopf. Petra glaubte an so etwas wie Schicksal, Fügung oder einen Fingerzeig von oben. Wenn man es genau nahm, hatte ihr der Alte das Leben gerettet. Nur um ihm zu schaden, hatte sie so fleißig gebohnert und stattdessen den eigenen Mörder zur Strecke gebracht. Sie sollte ihrem Schwiegervater eigentlich dankbar sein.
Willy Knobel war ebenfalls außer sich. Was war er doch für ein alter Trottel geworden, dass er gar nicht bemerkt hatte, wie ein Krimineller nachts durch sein Zimmer geschlichen war und seine Schwiegertochter um ein Haar entführt hätte! Und selbst wenn er wach geworden wäre, hätte er nichts ausrichten können. Seine Walther lag im Blumenkasten. Ab jetzt würde er nicht nur das Gehen im Flur üben, sondern seine Runden auch auf den Balkon ausdehnen, denn es wurde täglich wärmer und sonniger. Immerhin war der Eindringling jetzt gefasst. Vielleicht war damit der ganze Spuk beendet, und er machte sich unnötige Sorgen.
Max war befremdet, als seine Mutter anrief und ihm abstruses Zeug erzählte.
»Kennst du einen Horst Müller?«, fragte sie, und er antwortete sofort mit Nein. Wer sollte das auch sein? Müller hießen viele, mit einem Horst hatte er im ganzen Leben noch nichts zu tun gehabt. Nach und nach kapierte er, dass der Erpresser, der seine Mutter bereits telefonisch bedroht hatte, gestern bei ihnen eingebrochen war, auf der Treppe ausgerutscht war und sich das Bein gebrochen hatte.
»Hi, hi, hi«, kicherte seine Mutter.
»Was ist los?«, fragte Mizzi, die mit halbem Ohr zuhörte, »fängt Mama auch noch an zu spinnen?«
»Ich kenne keinen Horst«, sagte Max kopfschüttelnd, als die Mutter aufgelegt hatte. »Mizzi, hast du je von einem Horst Müller gehört?«
Bei diesem Namen sprang Jenny auf und rannte ins Badezimmer. Max registrierte, dass sie leichen-blass geworden war.
»Muss sie kotzen?«, fragte Jasmin. »Ist sie etwa schwanger?«
»Quatsch«, sagte Mizzi. Aber Max geriet plötzlich ins Grübeln, denn Müller war zwar ein Allerweltsname, aber er kannte trotzdem nur vier Menschen, die so hießen: Zwei davon waren Frauen, die beiden anderen Kevin und Falko.
In der Notaufnahme des Kreiskrankenhauses hatte man Falko provisorisch versorgt. Nach den Röntgenaufnahmen wurde die Hand eingegipst, das Bein stabilisiert und der Patient mit einer Infusion ins Bett gelegt. Der Unterschenkel war kompliziert gebrochen, die Operation war erst für den kommenden Montag vorgesehen.
Am späten Samstag saß ein Polizist an Falkos Bett, zückte einen Block und sprach von versuchter Erpressung. Also hatte Max seinen Eltern alles gebeichtet, dachte Falko mutlos. Er beschloss, vorläufig den Mund zu halten, beziehungsweise bloß laut zu stöhnen. Ein Anwalt musste her, wenn er nicht wieder im Knast landen wollte.
Aber Kevin sollte möglichst nichts von alldem erfahren. Der Junge schwärmte für Max. Sein Mentor hatte ihm allerhand Blödsinn eingeredet - Kevin wollte Handwerker und ein anständiger Bürger werden. Als ob das so einfach ginge! Auf der Suche nach einer Lehrstelle war er gescheitert, hatte nach fünfzehn Ablehnungen auch die Lust verloren. Nun hatte ihm Falko einen Job als Assistent eines Zuhälters verschafft, da konnte man auch viel lernen.
Dieser Max, dieser Angsthase und Gutmensch! Wie schnell konnte man ihn anzapfen, wie leichtgläubig hatte er auf alle Einschüchterungsversuche reagiert! Falko tat es fast leid, dass er den brutalen Pit Bull auf ihn angesetzt hatte. Immerhin hätte er es nie
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