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Ehrenwort

Titel: Ehrenwort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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Schloss zu inspizieren. Lieber ging sie wieder hinauf, um den Notruf zu wählen.
    »Warten Sie doch«, kam es von unten. »Ich kann alles erklären. Ich bin ein Freund von Max.«
    Petra glaubte ihm kein Wort.
    »Dann würde ich Sie schließlich kennen«, sagte sie kalt, »außerdem hat mein Sohn keinen Einbrecher zum Freund.«
    »Bitte, wecken Sie ihn, fragen Sie Max, er wird es bestätigen«, flehte der Fremde und zitterte am ganzen Körper. Aber Petra hatte kein Mitleid und tat, was sie für richtig hielt. Ein wenig war sie allerdings verunsichert, dass der Verbrecher den Vornamen Ihres Sohnes kannte. Bestimmt hatte er bereits die ganze Familie observiert.

    Da Falko in akuter Geldnot steckte, war er auf die Idee gekommen, Max um einen Vorschuss anzugehen. Bis zum Zahltag war zwar eigentlich noch Zeit, aber er konnte ihm dafür ja einen kleinen Nachlass geben. Als Max sich am Telefon nicht meldete, setzte Falko sich kurz entschlossen aufs Motorrad und bretterte tief in der Nacht in die hessische Bergstraßengemeinde zum Haus von Familie Knobel.
    Das Auto von Max parkte vor der Tür, er musste also zu Hause sein. Der Mercedes des Vaters war nicht zu sehen, was wohl bedeutete, dass die Eltern verreist waren. Falko versuchte es zuerst an der Garagentür, die jedoch fest verrammelt und von der Straßenseite gut einsehbar war, auch keine offenstehenden Fenster waren auszumachen. Das Schloss der Haustür war zwar mittels passender Werkzeuge schnell geknackt, aber von innen durch einen massiven Riegel versperrt. Bloß der Balkon schien nur durch halbherzig zugezogene Läden gesichert zu sein.
    Falko war durchtrainiert und kein Anfänger. Tatsächlich stand die rechte Flügeltür hinter den angelehnten Läden offen, und Falko spazierte ungehindert ins Zimmer. Er ließ die Taschenlampe kurz aufblitzen, sah einen schlafenden Mann im Bett und erschrak ein wenig. Da sich der Alte jedoch nicht muckste, zog Falko bloß die Stiefel aus und schlich durch den dunklen Raum, bis er in den Flur gelangte. Dort orientierte er sich wieder mittels Taschenlampe, um den Weg ins Souterrain zu Max zu finden.
    Wie es passiert war, konnte er sich später überhaupt nicht mehr erklären. Anscheinend waren seine Socken nicht rutschfest, denn er glitt nach zwei Schritten aus, schlitterte über die Diele auf die Treppe zu, konnte sich nicht mehr halten, überschlug sich, stieß einen filmreifen Schrei aus und landete auf dem Terrazzoboden im Erdgeschoss.
    Eine Weile blieb er völlig benommen unten liegen. Als er versuchte aufzustehen, durchzuckte ihn ein stechender Schmerz. Zwei Stunden später wurde im Krankenhaus festgestellt, dass er zwar nur eine leichte Gehirnerschütterung hatte, aber sowohl das rechte Handgelenk als auch das linke Bein gebrochen hatte.

    Bevor die Polizei anrückte, rollte Petra den Läufer wieder aus. Der Streifenwagen kam rasch, und Petra musste nun wohl oder übel den Einbrecher überqueren, um die Haustür zu öffnen. Einer der Beamten fragte den Verletzten nach seinem Namen und erhielt ein Stöhnen zur Antwort.
    »Das können wir leicht feststellen«, meinte der Polizist. »Wo ist Ihr Führerschein? Draußen steht Ihr Motorrad.«
    Sie durchsuchten seine Taschen, nahmen ihm den Ausweis ab, bestellten einen Krankenwagen, notierten Petras stotternden Bericht und weckten den Alten, weil sie sich ein Bild machen wollten, wie der Dieb hereingekommen war. Dann wurde Falko auf die Trage gelegt.
    »So, mein Lieber, dann lassen Sie sich mal verladen«, sagte der Polizist leicht ironisch, »im Augenblick besteht ja keine Fluchtgefahr.«
    Als der Verletzte abtransportiert war, sagte Petra: »Es ist wohl gar kein Einbrecher, sondern ein Erpresser. Mein Mann hatte nach einem anonymen Drohbrief bereits Kontakt mit der Kripo aufgenommen.«
    »Horst Müller hatte keine Waffe, sondern bloß einen Schlüsselbund und ein paar Dietriche in der Tasche«, sagte der Polizist. »Aus welchem Grund auch immer er eingebrochen ist, Sie hatten großes Glück, dass er Ihnen nichts angetan hat.«
    »Er wollte mich womöglich als Geisel mitnehmen«, sagte Petra, und es lief ihr kalt den Rücken hinunter. Schon der Gedanke, gefesselt auf einem Motorrad sitzen zu müssen, war schlimm; diese Typen in ihrer dunklen Lederkluft hatten in ihren Augen nur als Organspender einen praktischen Nutzen.

    Als sie endlich wieder allein war und den Alten beruhigt hatte, hätte sie gern ihren Mann angerufen. Aber es war vier Uhr nachts, sie beschloss, sich bis zum

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