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Ehrenwort

Titel: Ehrenwort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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mit einem Kriminellen zu informieren? Er verschob alles Unangenehme auf den nächsten Tag und ging zeitig ins Bett.
    Am Dienstag musste er früh raus, um den Opa zu versorgen. Es fiel ihm schwer, zumal auch der Alte einen munteren Bericht erwartete. Etwa um elf Uhr - die Eltern und auch Elena waren längst aus dem Haus - klingelte das Telefon. Genervt nahm Max ab, bestimmt wollte ihm seine Mutter eine ellenlange Einkaufsliste diktieren.
    »Hör gut zu, ich habe wenig Zeit«, sagte Falko. »Ich bin wohl nicht lange allein im Zimmer. Was hast du der Polizei gesagt?«
    »Nichts, denn sie haben mich gar nicht gefragt«, sagte Max, »schließlich bin ich erst gestern aus Berlin zurückgekommen.«
    »Wieso reden die dann von Erpressung?«
    »Keine Ahnung.«
    »Dann müssen es deine Eltern behauptet haben. Was wissen die überhaupt über mich?«
    »Bis jetzt auch sie noch nichts, aber demnächst ...«
    Falko stöhnte. »Gestern haben sie mich zusammengeflickt. Ich habe teuflische Schmerzen, diese Scheißmittelchen wirken ja kaum. Versuch mal, nur mit der linken Hand das Handy zu bedienen! - Du musst deinen Eltern sagen, dass wir befreundet sind und ich dich besuchen wollte...«
    »Von Freundschaft konnte noch nie die Rede sein«, sagte Max.
    »Nenn es, wie du willst, aber tu gefälligst, was ich dir sage! Ist doch wohl klar, dass man eine Wiedergutmachung erwartet.«
    »Das waren gestohlene Uhren - nagelneue mit Preisschildchen - und kein Erbe!«
    »Wie kannst du so was behaupten, meine Großmutter hatte einen Uhrenladen!«
    »Falko, es reicht. Falls du mir je wieder mit deiner Oma kommst, mache ich dich zum Horst! Und die Kohle kannst du dir ein für allemal aus dem Kopf schlagen«, sagte Max, der allen Mut zusammengenommen hatte.
    Das hatte gesessen. Falko hatte nicht gewusst, dass Max seinen wahren Namen kannte. Und zum Affen machen lassen wollte er sich schon gar nicht. Mit schneidender Stimme setzte er erneut an: »Wenn du das so siehst, kann ich auch anders. Erinnerst du dich noch an Pit Bull? Ich werde ihn...«
    Und damit endete das Gespräch, anscheinend war jemand hereingekommen.

    Bis auf ein wichtiges Detail hatte Max seiner Liebsten alles gestanden. Der Knackpunkt war ja leider, dass er selbst keine reine Weste hatte. Falls er vor den Eltern und dem von seinem Papa so geschätzten Herrn Melf eine Beichte ablegen würde, dann müsste er wohl zugeben, dass er sich Falko mit dem Geld seines Großvaters vom Leib gehalten hatte - aus Angst vor roher Gewalt, vor der er sich auch jetzt wieder fürchtete. Konnte ihn die Polizei vor Pit Bull und seinesgleichen überhaupt schützen?
    Auf jeden Fall würden es seine Eltern nicht nur als Vertrauensbruch, sondern auch als gemeinen Diebstahl ansehen, dass sich Max am Dossenheimer Tresor bedient hatte. Und falls sie es dem Großvater steckten, war es aus und vorbei mit dessen großzügigen Zuwendungen. Wahrscheinlich würden ihn die Eltern rausschmeißen. Das Schicksal seines Vaters würde sich wiederholen - Max musste dann sehen, wie er ohne einen Cent klarkam.
    Doch noch etwas anderes beschäftigte ihn: War Jenny nun seine feste Freundin? Nach wie vor wollte sie nicht, dass seine Eltern oder gar ihre Chefin von dem, was zwischen ihnen lief, etwas mitbekamen. Auch seine Schwester musste Jenny versprechen dichtzuhalten. Zum Glück lebte Mizzi weit weg von der Familie und konnte schweigen.
    Ob er dem Großvater erzählen sollte, dass er mit Jenny in Berlin war? Der Alte hätte zwar wohl Verständnis dafür, könnte sich aber womöglich ein paar pikante Bemerkungen nicht verkneifen, zum Beispiel seiner Favoritin Elena gegenüber. Und das wäre für Jenny unangenehm.
    Außerdem hätte er gern gewusst, wann und wie lange Jenny mit Falko zusammen war, und ob der Kerl noch irgendwelche Rechte hatte. Falko war schließlich verheiratet gewesen und hatte einen Sohn - hatte sie davon gewusst? Wenn Max bloß daran dachte, dass dieser Schuft die blutjunge Jenny zur Prostitution zwingen wollte, stieg blanker Hass in ihm auf. Für eine Tat, an der bestimmt Falko schuld war, hatte man ihr eine Jugendstrafe aufgebrummt. Hoffentlich hatte es nichts mit dem geplanten Falkenhorst zu tun.
    Während Max in Boxershorts auf der Bettkante saß, bearbeitete er gedankenverloren seinen spärlich behaarten Oberschenkel mit einem blauen Filzstift. Ein wildes Tattoo im Graffiti-Stil entstand: eine Fledermaus, Kometen, Pusteblumen, Pfeile und Ufos - kunstvoll ineinander verwoben, wie er sie als

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