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Ehrenwort

Titel: Ehrenwort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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rasa machen. Wieder ein Zitat von Opa, dachte Max und sah auf die Uhr.
    Jenny schmiegte sich an ihn. »Gleich ist alles überstanden«, tröstete sie. »Komm, wir holen nur noch ein bisschen Zunder. Drüben hatten sie mal Kaninchen, ich hab' vorhin gesehen, dass sie noch einen Vorrat Heu gestapelt haben.«
    Max hätte sich gern neben den Toten gelegt, so müde war er.

    Das Heu brannte tatsächlich sofort. Aber wenn Max nun damit gerechnet hatte, endlich nach Hause zu dürfen, so hatte er sich getäuscht. Jenny begann hektisch, die Türen, das Lenkrad und die Heckklappe des Polos mit ihrem Taschentuch abzureiben. Die Putzaktion nahm kein Ende, obwohl es inzwischen immer heftiger aus der Hütte qualmte.
    »Wir müssen weg!«, rief Max. »In fünf Minuten ist die Feuerwehr da!«
    »Es ist Sonntagmorgen«, sagte Jenny, »da schlafen doch noch alle. Aber vielleicht ist es besser, wenn wir den Polo nicht hier stehen lassen, sondern einfach irgendwo im Rhein versenk...«
    »Mach, was du willst«, sagte Max. »Ich kann nicht mehr.«
    Als wollte sie seine Geduld auf die Probe stellen, brach Jenny lila und weiße Fliederdolden ab, bis sie einen stattlichen Strauß in der Hand hielt.
    »Jenny, es brennt!«, brüllte Max, denn jetzt schlugen die Flammen aus der Hütte.
    »Ich komm' ja schon«, sagte sie und fügte im Vorbeigehen ihrem Gebinde noch eine rosa Akelei hinzu. Als sie sich dem Parkplatz näherten, kam ihnen der aufgeregte Ornithologe entgegen.
    »Haben Sie ein Handy?«, fragte er. »Ich habe Rauchentwicklung beobachtet, wahrscheinlich brennt eine der morschen Bretterbuden!«
    »Wir haben nichts bemerkt«, sagte Jenny, »und leider auch kein Handy dabei. Vorhin haben wir allerdings eine Türkenfamilie mit Plastiktüten getroffen, die wollen wahrscheinlich grillen.«
    »Ach so«, sagte der Vogelfreund, »dann kann ich ja beruhigt nach Hause gehen.«
    Jenny schlenderte betont gemächlich weiter, während Max am liebsten gerannt wäre, was das Zeug hielt.
    »Wer grillt denn schon am frühen Morgen!«, stieß er hervor.
    Erst als sie endlich im Wagen saßen und Max im Handschuhfach nach einem Hustenbonbon kramte, klappte Jenny zusammen. Max fuhr los, als wären alle Furien hinter ihm her.

19

    Max setzte die wieder ansprechbare Jenny gegen halb neun vor ihrer Wohnung ab, wo sie sich sofort ins Bett legte. Um zwölf hatte sie den ersten Termin bei einer gelähmten Frau, der sie das Mittagessen warm machen sollte. Als Max kurz darauf zu Hause ankam, sah er bereits von weitem Elenas Dienstwagen. Er fluchte und hastete die Treppe hinauf. Dort erwartete ihn ein Donnerwetter.
    »Signorino nixe wie amore in Kopfe, collazione für Nonno vergesse«, schalt Elena aufgebracht. Ihr Deutsch wurde vor Zorn zum Kauderwelsch. »Ecco die Insalata! Opa isse verruckte! Müsse mehr trinke!« Der Alte rede nonsenso und rufe nach Ilse.
    Max trat ein und sagte: »Guten Morgen, Opa! Geht's dir gut? Dein Motto ist doch: Morgenstund' hat Gold im Mund!«
    Und der Großvater erwiderte: »Os der Mund und os das Bein müssen beide Neutra sein!«
    Dann schimpfte er: »Ilse hat uns schon wieder nichts zu essen gegeben, kein Wunder, wenn du nicht wächst, du Zwerg!«
    Max wagte nicht, in Elenas Anwesenheit nach der Pistole zu fragen, er beeilte sich vielmehr, das Frühstück zu richten und hinaufzutragen. Als die Pflegerin fort war, saß der Alte gewaschen, gewindelt und angekleidet an seinem Tischchen und schlürfte Kaffee. Max nutzte die Gelegenheit, um sich die Walther, die er hinter der Gardine aufgespürt hatte, unauffällig unter den Pullover zu stecken.
    Nun hieß es Autowaschen. Wie er befürchtet hatte, blieb ein alter Nachbar, der gerade aus der Kirche kam, vor ihm stehen: »Entschuldigen Sie, junger Mann, wenn ich Sie einfach mal anspreche! Haben Sie vergessen, dass Sonntag ist? Oder ist der heutigen Jugend gar nichts mehr heilig?«
    Er sei gleich fertig, beteuerte Max. Unter der Woche müsse er studieren und nebenher noch seinen kranken Großvater pflegen, daher habe er selten Zeit.
    Zum Glück hatte er nur wenige Blutstropfen entdeckt, die er schnell in den Gully spülte. Das Eisenrohr aus der Garage schob er mitsamt der Pistole kurzerhand unter sein Bett. Er würde die Beweisstücke der nächtlichen Katastrophe bei nächster Gelegenheit entsorgen.
    Wichtiger war jetzt das Schlafzimmer der Eltern, wo er das Bettzeug wechseln musste. Wer konnte schon genau wissen, wann Papa und Mama wieder auftauchten. Die Gläser verschwanden in der

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