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Ehrenwort

Titel: Ehrenwort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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Spülmaschine, wohin aber mit den Bezügen, die Jenny und er nur zweimal benutzt hatten? Max stopfte sie in seinen Schrank, vergaß auch nicht die roten Servietten, sank dann aufs Bett und schlief sofort ein. Heute musste der Großvater auch auf das Mittagsmahl warten, denn Max wachte erst gegen fünfzehn Uhr wieder auf.
    Mittlerweile hatte der Alte keinen Hunger mehr, verlangte bloß eine kühle Blonde und kicherte albern über das verblüffte Gesicht seines Enkels, der doch wusste, dass sein Opa das »bayerische Proletengetränk« eigentlich verachtete.
    »Des Bieres kundig eingedenk, trank er sich mächtig voll!«

    Am späten Nachmittag kamen Harald und Petra von ihrer Reise zurück.
    »Sieh da, sieh da, Timotheus!«, zitierte Harald sowohl Schiller als auch seinen Vater. »Es geschehen noch Zeichen und Wunder, dein Herr Sohn hat sein Auto gewaschen!«
    »Und die halbe Straße geflutet«, ergänzte Petra und schloss die Haustür auf. Harald nahm die beiden Koffer und ging nach oben. Die Tür zum Zimmer des Alten stand offen, man hörte Gegröle.

    Als die Römer frech geworden,
    sim serim sim sim sim sim,
    zogen sie nach Deutschlands Norden
    sim serim sim sim sim sim...

    Harald hasste dieses schwachsinnige Lied, das ihm sein Vater bereits beibringen wollte, als er noch ein kleiner Junge war. Es folgten endlose Strophen mit dem Refrain terätätätäterä oder schnäderängtäng. Soweit Harald es beurteilen konnte, hatte der Alte seit Jahren nicht mehr so laut und falsch geschmettert. Mit Nachdruck machte er die Tür des Heldentenors zu. Im Erdgeschoss hörte er seine Frau nach Max rufen und ging hinunter. Beide Eltern erschraken über Max' Aussehen, als er schließlich auftauchte.
    »Hast dich wohl beim Autowaschen übernommen?«, stichelte Harald. »Und was ist los mit deinem Großvater?«
    »Was soll schon sein«, stotterte Max. »Er hat schon mehrmals ein bisschen gesponnen, das hört schnell wieder auf. - Wenn er etwas Merkwürdiges sagt, darfst du es nicht auf die Goldwaage legen.«
    »Ich schau gleich mal nach ihm«, sagte Petra und eilte in den ersten Stock.
    Wieder einmal wurde sie mit »Ilse« begrüßt. Vor dem Alten standen ein voller Aschenbecher und eine leere Bierflasche. Die Stimme ihres Schwiegervaters, die im Alter leiser geworden war, tönte jetzt laut und kräftig, als er sagte: »Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, Ilsebill, dein Willy hat die bösen Geister vertrieben. Und zwar piff-paff mit einer Pistole, da staunst du, was?«
    »Ja, ja«, sagte Petra, »du bist ein richtiger Held, der sich gerade das Rauchen abgewöhnt. Anscheinend hat Max dich gut versorgt!«
    »Du musst dem Kleinen mehr zu essen geben, er bleibt sonst ein Leben lang so mickrig. Von mir hat er das nicht, in meiner Familie gab es nur Gardemaß und keinen Zwergwuchs.«
    Das war zu viel! Ein Meter fünfundsechzig waren doch kein Handicap! Und was tun, wenn der Alte immer schlimmer delirierte? Wie lange würden sie das aushalten? Wovon wollten sie auf Dauer die Pflege bezahlen? Ihr Mann stand kurz vor dem Ruhestand, und ihr eigener Verdienst als Buchhändlerin war nicht gerade üppig.
    Im Schlafzimmer geriet sie beim Kofferauspacken erst recht in Zorn, denn stank es hier nicht auch nach Rauch? War ihr Schwiegervater wieder hier eingedrungen und dazu noch mit einer brennenden Zigarre? Selbst die Betten schien er benutzt zu haben, denn Petras Nackenkissen lag auf Haralds Seite.
    Wutentbrannt kehrte sie erneut ins Wohnzimmer zurück, aber Max hatte sich längst wieder in die Katakomben zurückgezogen. Also kriegte der arme Harald sein Fett ab.
    »Dein Sohn wird bald einundzwanzig!«, sagte sie zu ihrem Mann, »aber er macht nichts als Mist. Erst hat er deinen Vater aufgepäppelt, anstatt ihn in Frieden sterben zu lassen, jetzt dopt er ihn mit Bier und Zigarren und verhindert nicht, dass sich Knobel senior in unserem Schlafzimmer breitmacht. Du hättest dir den Jungen längst mal vorknöpfen sollen.«
    »Wieso denn ich? Jahrelang lässt du ihm alles durchgehen und verwöhnst ihn nach Strich und Faden, und wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, soll ich plötzlich schuld sein«, sagte Harald ärgerlich. »Und den alten Mann bei uns aufzunehmen war bestimmt nicht meine Idee. Was soll eigentlich aus uns selbst im Alter einmal werden, wenn die Pflege meines Vaters alles Geld auffrisst? Hast du dir je Gedanken darüber gemacht? Jedenfalls habe ich nächste Woche einen Termin mit einem Makler in Dossenheim. Jeder weiß, dass

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