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Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen (German Edition)

Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen (German Edition)

Titel: Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Arendt
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Gebietes angeordnet worden war – im November 1939.) Es lagen ihnen ferner zwei Protokolle aus dem Beginn des Krieges vor, das eine von einer Konferenz, die Heydrich am 21. September 1939 als eine »Amtschef- und Einsatzgruppenleiterbesprechung« einberufen hatte, an der auch Eichmann als Vertreter der Berliner Zentrale für jüdische Auswanderung teilnahm, und das andere von einer Besprechung am 30. Januar 1940, die auf Veranlassung Himmlers ebenfalls unter dem Vorsitz Heydrichs stattfand und sich mit »Evakuierungs- und Umsiedlungsfragen« befaßte. In beiden Konferenzen handelte es sich um Maß nahmen, die die Gesamtbevölkerung der polnischen Gebiete anging, und sie ließen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Die »Lösung des Polenproblems« war auf dem besten Wege: »Von dem politischen Führertum sind in den okkupierten Gebieten höchstens noch drei Prozent vorhanden. Auch diese drei Prozent müssen unschädlich gemacht werden und kommen in KZs.« Ferner müssen die mittleren Schichten der polnischen Intelligenz erfaßt und verhaftet werden – »Lehrer, Geistlichkeit, Adel, Legionäre, zurückkehrende Offiziere usw.« –, während die »primitiven Polen« als »Wanderarbeiter in den deutschen Arbeitsprozeß einzugliedern« und aus ihren bisherigen Wohnstätten »auszusiedeln« sind. »Ziel ist: der Pole bleibt der ewige Saison- und Wanderarbeiter, sein fester Wohnsitz muß in der Gegend von Krakau liegen.« Das polnische Judentum ist in den Städten »in Gettos zusammenzufassen, um eine bessere Kontrollmöglichkeit und später Abschubmöglichkeit zuhaben«. Im übrigen sollten, wie es in der Januarbesprechung 1940 heißt, die »neuen Ostgaue«, nämlich der Warthegau, ferner Westpreußen-Danzig und Oberschlesien, sofort von Juden geräumt werden, die zusammen mit 30 000 Zigeunern aus dem Reichsgebiet in das Generalgouvernement in Güterzügen abzuschieben seien. Schließlich verfügte Himmler als »Reichskommissar zur Festigung des deutschen Volkstums«, daß ein großer Teil der polnischen Bevölkerung aus diesen dem Reich angegliederten Gebieten ebenfalls vertrieben werden sollte. Die Durchführung dieser »organisierten Völkerwanderung«, wie das Urteil es nannte, wurde Eichmann als Leiter des Referates IV-B-4 im RSHA, dessen Aufgabe mit »Auswanderung, Räumung« bezeichnet war, übertragen. (Diese ganze »negative Bevölkerungspolitik« hielt sich übrigens im Rahmen von Hitlers Geheimrede vor dem Oberkommando der Wehrmacht im November 1937, die uns aus dem sogenannten Hössbach-Protokoll bekannt ist, in welcher er ausdrücklich die Eroberung fremder Völker abgelehnt und in aller Offenheit einen »volklosen Raum« im Osten für Deutschland gefordert hatte; da es volklosen Raum nicht gab, wie Blomberg, Fritsch und Raeder, die ihm zuhörten, ja eigentlich hätten wissen müssen, konnte es sich im Falle eines deutschen Sieges ja nur darum handeln, diesen Ostraum eben »auszuräumen« und die dort lebenden Völker auszurotten. Für die Polen waren die vorbereitenden Maßnahmen zum Massenmord bereits getroffen; in Deutschland zwang man die polnischen Sklavenarbeiter, ein Abzeichen mit einem P in der Mitte zu tragen, das dem Judenstern durchaus entsprach und ebenfalls eine Polizeimaßnahme war, die für das Ingangsetzen der Vernichtung einer ganzen Gruppe unerläßlich war.) Besonders interessant in den vorliegenden Dokumenten war ein im Anschluß an die Septemberkonferenz an die Chefs der Einsatzgruppen gerichteter Schnellbrief, der nur auf die »Judenfrage im besetzten Gebiet« Bezug nimmt und ein »Endziel«, das »streng geheimzuhalten« sei, von den »kurzfristigen« Maßnahmen zur Erfüllung des Endziels unterscheidet; die Konzentrierung der Juden in Gettos in den Städten in der Nähe von Eisenbahnstrecken gilt ausdrücklich als »erste Vorausnahme für das Endziel«. Das Wort »Endlösung der Judenfrage« kommt nicht vor, und man darf annehmen, daß das End ziel die bereits bekannte Vernichtung des polnischen Judentums war, dem nun als erster Schritt in Richtung der End lösung diejenigen deutschen Juden assimiliert wurden, die in den Ostprovinzen des Reiches wohnten. Was Eichmann anlangte, so geht aus dem Dokumentenmaterial klar hervor, daß er auch in diesem Stadium mit den eigentlichen Vorgängen im Osten nichts direkt zu tun hatte, auch hier war er nur als der Transportfachmann eingeschaltet, der »ausräumte« und »evakuierte«, was sich in Deutschland befand. Im Osten bedurfte es

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