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Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen (German Edition)

Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen (German Edition)

Titel: Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Arendt
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wies ihm die Aufgabe zu, einige illegale Transporte von Juden nach Palästina zu organisieren, ohne sich dabei der Unterstützung von Zionisten zu bedienen. Storfer war kein Zionist und hatte sich vor dem Einmarsch der Nazis in Österreich nicht für jüdische Angelegenheiten interessiert. Dennoch gelang es ihm mit Eichmanns Hilfe noch 1940, als halb Europa von den Nazis besetzt war, über 3500 Juden aus Europa hinauszubekommen, und er scheint sein Bestes getan zu haben, um diese Dinge mit den für die illegale Einwanderung verantwortlichen Stellen zu klären. (Daran hat Eichmann vermutlich gedacht, als er seine Erzählung über seine Begegnung mit Storfer in Auschwitz mit der kryptischen Bemerkung abschloß: »Mit keinem Wort hat dieser Mann je – – sagen wir, Verrat am Judentum begangen – – hat Storfer nicht gemacht –.«) Schließlich gab es noch einen dritten Juden, dessen Namen Eichmann im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit vor Ausbruch des Krieges immer wieder erwähnte – das war Dr. Paul Eppstein aus Berlin, Leiter der Auswanderungsstelle während der letzten Jahre in der »Reichsvereinigung der Juden«, also der von den Nazis eingerichteten jüdischen Dachorganisation, die nicht mit der authentisch jüdischen »Reichsvertretung« verwechselt werden darf, die im Juli 1939 aufgelöst wurde. Dr. Eppstein wurde von Eichmann zum Judenältesten für Theresienstadt ernannt, wo er 1944 erschossen wurde.
    Mit anderen Worten: Eichmann erinnerte sich einzig an solche Juden, die vollkommen in seiner Macht gewesen waren. Er hatte nicht nur die Emissäre aus Palästina vergessen, sondern auch Juden, denen er früher in Berlin begegnet war und die er gut gekannt hatte, als er noch ein einfacher Agent war, ohne alle exekutiven Vollmachten. Zum Beispiel erwähnte er nie den Namen von Dr. Franz Meyer, einem früheren Vorstandsmitglied der zionistischen Organisation in Deutschland, der in Jerusalem als Zeuge der Anklage über seinen Kontakt mit dem Angeklagten während der Jahre 1936 bis 1939 aussagte. Dr. Meyer bestätigte bis zu einem gewissen Grade Eichmanns eigene Darstellung: In Berlin hatten die Juden »gewisse Bitten unterbreitet oder Klagen vorgebracht«, »es hatte da eine Art Zusammenarbeit gegeben«. »Manchmal«, berichtete Meyer, »wollten wir was von ihm, manchmal wollte er etwas von uns.« Von Eichmann hatte Dr. Meyer damals den Eindruck, daß »… er sich dafür interessierte und genau wissen wollte, wie sich bei uns alles zutrug …«. Er bestätigte auch, daß Eichmann »sich auf ziemlich normale Art und Weise betrug, … keinerlei persönliche Verbindlichkeit, aber korrekt … Er sagte damals noch ›Herr‹ zu mir, sagte mir, ich solle mich setzen«, usw. Zwei Jahre später jedoch, im Februar 1939, hatte sich all das völlig verändert. Eichmann hatte die führenden Persönlichkeiten der deutschen Judenschaft nach Wien beordert, um ihnen seine neuen Methoden der »forcierten Auswanderung« vorzuführen. Da saß er nun in einem großen Saal im Erdgeschoß des Palais Rothschild, natürlich sofort zu erkennen, und doch ganz verändert: »Ja, also ich erinnere mich, daß ich sofort meinen Freunden mitteilte … Früher war er so ein kleiner Beamter gewesen, ein guter Bürokrat … Hier plötzlich saß ein Mann, der in seiner Unverschämtheit Herr über Leben und Tod war, der grob war, uns anranzte, wir durften uns überhaupt nicht seinem Tisch nähern, wir mußten die ganze Zeit stehen.« Ankläger und Richter waren sich einig, daß die Beförderung in Eichmann eine echte und bleibende Persönlichkeitsveränderung ausgelöst hatte, aber gewisse Zeugenaussagen im Prozeß bewiesen, daß die Sache so einfach niemals gewesen war. Er hatte auch hier »Rückfälle« gehabt und war wieder in »die alte Tour« gekommen. So berichtete eine Zeugin von einer Besprechung mit Eichmann im März 1945 in Theresienstadt, bei der dieser sich wiederum sehr interessiert an zionistischen Fragen gezeigt habe; die Zeugin war Mitglied einer zionistischen Jugendorganisation und besaß eine Einreisegenehmigung nach Palästina: »Das Interview wurde in sehr freundlichem Ton geführt, und [Eichmanns] Haltung war angenehm und höflich.« (Merkwürdigerweise hat der Verteidiger die Aussage dieser Zeugin in seinem Plädoyer nicht erwähnt.)
    Man mag daran zweifeln, daß Eichmann je eine bleibende Persönlichkeitsveränderung erfahren hat, aber ohne jeden Zweifel war die Stelle in Wien der wirkliche Beginn seiner Karriere. Zwischen

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