Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen (German Edition)
Machtübernahme zwar noch nicht gewiß, aber doch bereits sehr wahrscheinlich war) erlassenen »Richtlinien« – »zum Abdruck im MBliV. nicht geeignet« –, denen zufolge »jede Namensänderung im Verwaltungswege … die blutmäßige Abstammung« verschleiert, die »Bestrebungen jüdischer Personen, ihre jüdische Abstammung durch Ablegung oder Änderung ihres jüdischen Namens zu verschleiern …. daher nicht unterstützt« und »anstößige jüdische Namen in der Regel nur durch Gewährung eines anderen jüdischen Namens« geändert werden sollen. »Auch der Übertritt zum Christentum bildet keinen Grund, den Namen zu ändern«, was mit Rücksicht auf Dr. Globkes Bindung an die katholische Kirche immerhin bemerkenswert ist. (Siehe Reinhard-M. Strecker, »Dr. Hans Globke, Aktenauszüge, Dokumente«, Hamburg, S. 20ff.) Man sieht, im preußischen Innenminsterium erkannte man voller Eifer die Zeichen der Zeit, wozu auch gehört, daß man ausdrücklich anordnete, »von einer Veröffentlichung der Richtlinien Abstand zu nehmen«; denn das Nichtveröffentlichen der Gesetzgebung, nach der regiert und verwaltet wird, wurde dann, allerdings erheblich später, eines der wesentlichen Merkmale der totalen Herrschaft in Deutschland. Dr. Globke bewahrte, wie erwähnt, sein Interesse an Namen auch nach Anbruch des Dritten Reiches, und da sein Kommentar zu den Nürnberger Gesetzen von 1935 wesentlich radikaler war als die frühere Interpretation der »Rassenschande«, die der alte Parteigenosse Dr. Bernhard Lösener als Experte für Jüdische Angelegenheiten im Innenministerium gefunden hatte, könnte man ihm sogar vorwerfen, daß er die Dinge schlimmer gemacht hat, als sie unter »echten Nazis« gewesen wären. Aber selbst wenn man ihm alle guten Absichten des »Milderns« zubilligen wollte, kann man sich doch nur sehr schwer vorstellen, was er denn nun eigentlich getan hat bzw. unter den gegebenen Verhältnissen hat tun können, um die Dinge besser zu machen, als sie ohne ihn gewesen wären. Doch ist nach langem Forschen vor einiger Zeit eine deutsche Zeitschrift mit einer Antwort auf diese Vexierfrage des »Abmilderns« hervorgetreten. Die Autoren hatten ein deutlich von Dr. Globke abgezeichnetes Dokument entdeckt, in dem angeordnet wurde, daß tschechische Bräute deutscher Soldaten für den Antrag auf Ehegenehmigung Fotografien in Badeanzügen beizubringen hatten. Und Dr. Globke erklärte: »Mit dieser vertraulichen Anordnung wurde ein seit drei Jahren bestehender Skandal einigermaßen abgemildert «, denn bis zu seinem Eingreifen hatten die tschechischen Bräute Schnappschüsse einreichen müssen, auf denen sie splitternackt zu sehen waren.
Dr. Globke hatte, wie er in Nürnberg aussagte, das Glück, unter einem anderen »Abmilderer« zu arbeiten, dem Staatssekretär Wilhelm Stuckart, dem wir als eifrigem Teilnehmer an der Wannsee-Konferenz begegnet sind. Stuckarts abmildernde Tätigkeit betraf Halbjuden, für die er Sterilisation empfahl. (Der Nürnberger Gerichtshof, im Besitz des Wannsee-Protokolls, mag ihm nicht geglaubt haben, daß er von dem Vernichtungsprogramm nichts gewußt hatte, aber verurteilte ihn auf Grund seines Gesundheitszustandes nur zu der in Untersuchungshaft abgesessenen Zeit. Ein deutsches Entnazifizierungsgericht erlegte ihm eine Strafe von 500 Mark auf und erklärte ihn zum »Mitläufer« – obgleich es doch zumindest gewußt haben muß, daß Stuckart zur »alten Garde« der Partei gehört hatte und der SS frühzeitig als zahlendes Mitglied beigetreten war.) Die Geschichten von den »Abmilderern« in Hitlers Amtsstuben gehören offenbar zu den zahlreichen Nachkriegslegenden, hier brauchen wir uns nicht nach mahnenden Stimmen umzuhören, die Eichmanns Gewissen eventuell erreicht haben könnten.
Ernst wurde die Frage dieser Stimmen in Jerusalem mit dem Auftreten des Propstes Heinrich Grüber als Belastungszeugen, der als einziger deutscher Zeuge vor dem Gericht erschien. (Er war übrigens, mit Ausnahme des Richters Michael Musmanno aus den USA, auch der einzige nichtjüdische Zeuge in Jerusalem; deutsche Entlastungszeugen waren von vornherein ausgeschlossen, da sie sich in Israel dem Risiko eventueller Festnahme und Strafverfolgung ausgesetzt hätten, auf Grund des gleichen Gesetzes, nach dem gegen Eichmann verhandelt wurde.) Propst Grüber hatte zu der zahlenmäßig kleinen und politisch einflußlosen Gruppe von Personen gehört, die aus Prinzip, nicht aus nationalistischen Erwägungen in
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