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Eiertanz: Roman (German Edition)

Eiertanz: Roman (German Edition)

Titel: Eiertanz: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Brendler
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Bett, das jemand frisch bezogen hatte, für mich. Auf dem Kopfkissen ein goldglitzerndes Täfelchen Schokolade. Was mir endgültig den Rest gab. Ich schluckte an gegen die aufsteigenden Tränen und die aufkeimende Gewissheit, die ganze Welt, vielleicht gar das Universum, sei nichts anderes als ein gigantisches Schwimmbad, in dem ich umherirrte, auf der Suche nach der Decke meiner Familie. Schon verschwammen Tanzende, Sperrmüll und die vielen kleinen, hoffnungsvollen Kerzenflämmchen vor meinen Augen. Im letzten Augenblick riss ich mich zusammen. Ich war kein verlorenes Kind. Gegen die Schwimmbadeinsamkeit gab es Kreditkarten und ein Telefon. Mit dem Bus konnte es nicht allzu weit zum nächsten akzeptablen Hotel sein.
    Schon tastete ich in der Rocktasche nach dem Autoschlüssel. Der dort genauso wenig zu finden war wie meine Geldbörse, mein Lippenstift, meine Notfallutensilien, vom Tampon bis zum Pfefferminzbonbon, mein Terminplaner oder das Foto von Mirko, das ich, eben fiel es mir ein, immer noch mit mir herumtrug. Wenn ich meine Handtasche bei mir hatte. Warum war mir bis jetzt nicht aufgefallen, dass sie in meinem Schlafzimmer lag? Es war alles so schnell gegangen. Und jetzt hatte ich keinen Autoschlüssel, keine Kreditkarte, kein Geld. Und keinen Schlafplatz. Gegen die Schwimmbadeinsamkeit gab es nur noch ein einziges Mittel: den Strafantrag. Der dieses Fest beenden und Julia endgültig gegen mich aufbringen würde. Ebenso wie alle anderen.
    Blass war der Himmel jetzt, noch blasser die Mondsichel über den Bäumen, die ersten Tanzenden rückten näher aneinander. Es war nur eine Frage der Zeit, bis Quirin und seine Freundin auf diese Tanzfläche taumeln und sich im Stehblues wiegen würden, eng umschlungen, im warmen Schein der Kerzen. Süß wie Apfeldatschi, zärtlich wie die uns einhüllende Nacht würde ihr Kuss sein, der bloße Gedanke daran trieb mir endgültig die Tränen in die Augen. Eine von ihnen ließ sich nicht mehr zurückhalten, rollte meine Wange hinunter. Und ausgerechnet diesen Moment suchte sich Alexander Strobl aus, um sich umzudrehen und lächelnd auf mich zuzukommen.
    »Frau Zuhlau? Mei, geht’s Ihnen nicht gut? Kein Wunder.« Beschützend legte er den Arm um mich. Er roch nach einem männlich-herben Deo, vermutlich Marke Moschusochse. Ich war zu schwach, um ihn abzuschütteln. Zumal von der anderen Seite eintraf, was ich eben noch befürchtet hatte: Quirin und seine Freundin, locker nebeneinander herschlendernd, ihrer Liebe so sicher, dass sie sich noch nicht einmal berühren mussten. Als sie uns sahen, blieben sie stocksteif stehen. Wir alle starrten einander an, zu den Klängen von »Nothing else matters« von Chor und Band. Welches Lied der Akkordeonist gerade spielte, war nicht sicher zu ermitteln, etwas zwischen »What shall we do with the drunken sailor« und der schönen blauen Donau. Dann sagte Susn ganz locker: »Hi, Alex«, und Alexander Strobl schaffte es, ein betont ungezwungenes »Hallo« auszustoßen. Während Quirin uns schweigend musterte, mit geballten Fäusten.
    »Frau Zuhlau, Sie frieren ja. Wie wär’s mit einem zivilisierten Glas Wein und einem anständigen Essen in einer kultivierten Umgebung?«
    Bevor ich erschöpft und tränenerstickt »aber bitte keine Weinbergschnecken« murmeln konnte, hatte er sich und damit auch mich schon energisch herumgedreht und führte mich ab zum Parkplatz.

    Ich rannte. Auf Korksohlen. Über Sand. Im bleichen Licht der Mondsichel, im unsicheren Schein der Laternen von entfernten Uferpromenaden, im Flackern einer Kerze am Strand. Fast wäre ich in das Paar hineingerannt, das sich im leisen Säuseln des Nachtwinds einen Urlaubskuss genehmigte, einen Kuss jener Art, an den man sich im Arbeitsalltag wohlig erinnern konnte, während man Chef oder Chefin einen Kaffee machte oder zum Kopierer ging. Einen Kuss, den ich mit der Frage unterbrach, wie weit es nach Neuenthal sei.
    »Vielleicht nehmen Sie besser ein Taxi.« Der Mann, um die fünfzig, in einem für den Strand zu eleganten Hemd, musterte meine aufgelöste Erscheinung. Seine Frau oder Freundin umkrallte seine Schulter und staunte mich an, als wäre ich ein Wassergeist. Eine Sekunde überlegte ich, ob ich die beiden um Geld für ein Taxi bitten sollte, dann entschied ich mich dagegen, überließ sie ihrer Romantik. Und mich meiner Hoffnung, dass ich nicht in die falsche Richtung lief.
    Strobl war auf die Uferstraße gefahren. Er kenne ein Restaurant, nur einige Kilometer entfernt, das

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