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Eiertanz: Roman (German Edition)

Eiertanz: Roman (German Edition)

Titel: Eiertanz: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Brendler
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unglaubwürdig. Held und Heldin befanden sich in einer Hütte auf einer Klippe, korrupte Verbrecher, angetrieben von dem kaltblütigen Ex-Mann der Heldin, waren ihnen auf den Fersen, aber sie hatten nichts anderes zu tun, als sich zu küssen und aneinander herumzufummeln. Ab und zu sagten sie Sätze wie:
    »Du musst jetzt gehen. Sie sind hinter dir her.«
    »Nein, Liebste, ich kann dich nicht hier alleinlassen.« Darauf pressste sie sich wieder an ssseinen sssehnigen Körper, und er wühlte sich hinein in ihre schwellenden Brüssste.
    Während ich mich durch den Inhalt eines Schranks in Planquadrat C4, Abschnitt 2a1 bis 2a5 wühlte, die Ohrstöpsel meines iPods gegen Piccos Gequatsche in den Ohren, unelfenhaft schwitzend und so viel Bierdunst ausstoßend, dass ein Papagei vermutlich schon vom bloßen Einatmen einen Vollrausch bekam. Aber daran konnte ich nichts ändern. Der strenge Tierarzt hatte schließlich befohlen, die Fenster geschlossen zu halten. Derselbe Tierarzt, der mich heute Nacht ins Haus geschleift, mich ausgezogen und aufs Bett gelegt hatte, während ich betrunken säuselte, er solle bitte nicht mit mir schlafen. Was dachte er jetzt bloß von mir? Ich arbeitete schneller, beförderte einen Schwung zufrieden grinsender Buddhas und chinesischer Porzellandrachen, eine Staubsaugerkleinteilesammlung, massenweise Kruzifixe, Kerzen mit dem Bild des Papstes und zerbröselnde Tischdecken zutage, packte alles in Säcke und Kisten, stellte sie auf den Kiesweg vor dem Haus. Dann sichtete ich Stapel von Handarbeitszeitschriften und Betriebsanleitungen von Geräten, die wahrscheinlich nicht einmal mehr existierten, blätterte jede einzelne durch, um nur kein noch so dünnes Blatt Papier zu übersehen, barg halbfertige Stickereien, Pelzstücke und kiloweise Wolle aus dem unteren Teil des Schranks.
    Verfilzt war die Wolle, Knöpfe und Papierschnipsel hatten sich in ihr verfangen, ich pflückte sie heraus, und etwas fiel zu Boden. Picco flog kreischend herbei, drehte dann misstrauisch ab und beäugte den toten Käfer aus respektvoller Entfernung. Als könnte er sich jederzeit wieder umdrehen und loskrabbeln. Hinein in die Beine meiner Leggins, zum Beispiel.
    Der Käfer war groß und schwarz, mit einem widerlich prallen Panzer. Der mit einem Knacken zerplatzen würde, wenn ich auf ihn träte. Aber ich trat nicht, ich verharrte in ähnlicher Totenstarre wie der Käfer. Die ganze Zeit hatte ich versucht, das Thema Insekten aus meinem Kopf zu verbannen. Ich wollte nicht an Spinnen denken, erst recht nicht an Käfer, vor denen ich mich beinahe noch mehr ekelte. Und auf gar keinen Fall durfte das Wort Kakerlaken aus den Ritzen meines Unbewussten hervorkrabbeln! Deswegen hatte ich nach meiner ersten Expedition und dem anschließenden Schrubben des freigelegten Gangs bis zum Herd die Küche gemieden, hatte ab und zu Alpträume von Planquadrat A3, Abschnitt 5c1 bis 5 g4, dem Flaschen- und Dosenwall um den Kühlschrank. Picco war näher gekommen, versuchte, mit einem bescheiden anfragenden »Halt die Goschn, Picco hot oan fahrn lassn, hehehe?« den Käfer aus der Reserve zu locken. Ich löste mich aus meiner Starre und verließ angeekelt das Haus. Was immer Picco mit dem Käfer vorhatte, ich wollte nicht dabei sein. Ich lief schnell über den Parkplatz und die Straße hinunter, ohne zu wissen, wohin, als könnte ich damit meinen eigenen Gedanken an Chitinpanzer, flinke, wimmelnde Beine und rotierende Fühler entkommen. Erst vor dem Edeka blieb ich stehen, außer Atem. Die Morgensonne brannte schon heiß, knallte auf das Straßenpflaster. Ich lehnte den Kopf an die kühle Scheibe. Und hob ihn gleich wieder, verstört. Etwas war anders. Sehr anders. Zwischen den Regalen bewegte sich etwas. Menschen! Anscheinend kauften sie ein! Der Edeka war offen! Ein Wunder, mit dem ich nicht mehr gerechnet hatte.
    Franzi thronte hinter dem Kassentisch. Über einem hautengen Stretch-T-Shirt trug sie ein blauweißes Rautenjäckchen, und auf dem Shirt wogte etwas Goldenes, die Löwen eines Wappens. Ich sah es, als ich den Laden betrat, ihr lächelnd zunickte. Und hoffte, dass ich das Biafuizl tatsächlich so würdevoll verlassen hatte, wie ich mich zu erinnern glaubte.
    »Servus, Gina!« Franzi strahlte und winkte. Alle Anstehenden an der Kasse drehten sich gleichzeitig um. Ich erkannte den Mann, der die Straße gefegt hatte. Und mich sofort einem Ganzkörperscan unterzog. Hinter ihm stand ein Junge mit einer Schildkappe, halbschräg aufgesetzt,

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