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Eiertanz: Roman (German Edition)

Eiertanz: Roman (German Edition)

Titel: Eiertanz: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Brendler
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rutschte selbst hinter das Lenkrad, ließ den Motor an und steuerte über den Parkplatz auf den Waldweg. Eine Weile rumpelten wir schweigend durchs Dunkel, das Scheinwerferlicht huschte über Baumstämme, der Lichtkegel hüpfte mit jedem Schlagloch. Ich bekam Schluckauf davon. Quirin sah mich von der Seite an.
    »Warum trägst eigentlich die Kappe?«
    Und schon heulte ich ihm wieder etwas vor wegen des ländlichen Fünf-Zentimeter-Schnitts mit Innenrolle, mit dem ich mich bei Mirko nie, niemals blicken lassen könnte, gerade jetzt, da er angefangen hatte, mich überhaupt zu beachten, und nachlaufen dürfe ich ihm auf keinen Fall, er hasse Frauen, die sich anbiederten, er habe es selbst in einem Fernsehinterview gesagt, ganz ernst, so ernst, dass sogar die kichernde Moderatorin verstummt war.
    »Scheint a schöns Arschloch zu sein, dein Mirko. Aber auf so was steht ihr Frauen ja.«
    Quirin nahm eine Hand vom Lenkrad und zog mir die Paillettenmütze vom Kopf.
    »Die brauchst doch nicht verstecken, deine Haare. Sieht gut aus. Jedenfalls jetzt, im Dunkeln.«
    Er lachte, und ich schluchzte wieder los. Weil seine Hand über meine ruinierte Frisur strich. Und in meinem Nacken liegen blieb. Weil sie sich trocken und warm anfühlte. Weil jede Pore meiner Haut dieser Wärme entgegenwuchs. Weil plötzlich Finger da waren, zarte, sanfte, fragend streichelnde Finger. Weil nicht nur die kleinen Härchen im Nacken sich aufstellten, auch meine Brustwarzen rieben am Stoff des Büstenhalters, neugierig, vorwitzig, verlangend, als ob sie, diese empfindsamen Außenposten meiner selbst, längst wüssten, wie die Fahrt enden würde. Wie eine ähnliche Fahrt schon einmal geendet hatte, im Frühjahr, nach dem Agenturfest …
    Quirin zog die Hand wieder weg, lenkte den Bus vorsichtig vom Waldweg auf die Teerstraße. Als ich ihn anflehte, bitte nicht mit mir ins Bett zu gehen, dies werde sonst zum wiederkehrenden Muster, bremste er.
    »Glaubst du, ich bin so an Arsch? Was kennst denn du für Leut?« Kopfschüttelnd fuhr er wieder an.
    Der Bus glitt leicht über die leere Straße. Schlafende Häuser auf schlafenden Hügeln, über den Tannenspitzen ein Vollmond, der aussah wie etwas, in das man beißen wollte, eine köstliche Frucht.
    »Und wer sagt überhaupt, dass ich das will?«
    Auf den winzigen Nachtwellen des Sees tanzte Mondlicht, unendlich viele funkelnde Pünktchen auf dem Wasser, heimliches Nachtspiel, eine Sache zwischen See und Mond, nicht für menschliche Augen bestimmt. Ich biss mir auf die Faust. Natürlich wollte er nicht mit mir schlafen, wie kam ich nur darauf. Er hatte eine Freundin, mit der er sich zwar gestritten hatte, aber bestimmt wieder versöhnen würde. So leidenschaftlich, wie ihre Auseinandersetzung gewesen war. Wahrscheinlich waren sie füreinander bestimmt, die Hochzeit war längst geplant, die Kinder würden entzückend aussehen, mit kornblumenblauen Augen und wallenden Lockenschöpfen.
    »Jetzt komm, Gina, das ist kein Kerl wert, dass man so weint. Wart, ich helf dir.«
    Er hatte den Bus neben dem rostigen Kombi geparkt, löste meinen Gurt, wieder der Schwimmbadduft, seine Haare kitzelten mein Gesicht. Er ging um den Wagen herum, öffnete meine Tür. Als ich ausstieg, legte er den Arm um mich, und ich ließ mich führen, obwohl ich durchaus hätte laufen können, vielleicht etwas schwankend, aber auf meinen eigenen, geraden Beinen. Auf denen ich immer gestanden hatte. Georgina, der Fels, an den sich die anderen lehnten. Vielleicht war es deshalb so schön, sanft gesteuert zu werden. Und ich konnte mir einbilden, es sei Mirko, der mich ins Haus brachte, mir den Schlüssel abnahm, aufschloss, zielsicher den Lichtschalter im Flur fand, nach dem ich am ersten Tag so lange gesucht hatte, mich ins Schlafzimmer führte. Mondlicht floss durch das Fenster. Es war Mirko, der mich sanft zum Bett schob, mir erst die Jacke abstreifte, dann die Schuhe.
    »Komm, zieh noch den Rock aus, dann legst dich schlafen. Morgen sieht alles anders aus.«
    Hände, die nach dem Reißverschluss tasteten, ihn fanden. Folgsam legte ich mich, spürte, wie er mir den Rock auszog.
    Dann nichts mehr.
    Ich öffnete die Augen. Er stand in einer Gasse aus Mondlicht. Als hätte jemand aus Gottes geheimer Beleuchterwerkstatt die Bühne extra für einen Auftritt hergerichtet, bei dem er nichts zu tun hatte, als stumm zu stehen, die Hände locker vor dem Körper gekreuzt, und zu schauen, seine Blicke auf Wanderschaft zu schicken. Langsame, genussvolle

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