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Eiertanz: Roman (German Edition)

Eiertanz: Roman (German Edition)

Titel: Eiertanz: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Brendler
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auslegen.
    »Des war mir a bissl … mei, zu gefährlich.« Er lachte und stand auf. »Magst schwimmen gehn? Ist gut gegen Kater.« Er streckte mir die Hand hin, und ich stotterte etwas in der Art, dass ich nicht unbedingt der Typ sei, der neben ihm mit kräftigen Schlägen bis ans andere Ufer kraulte, und außerdem hätte ich nicht nur einen Kater, sondern auch einen …
    »Quirl!« Thereses Ruf unterbrach mich mitten im Satz. »Hier kommt dein Schnorchelkurs!«
    Hinter uns am Strand standen Therese und fünf entblätterte Sachsen. Judda, die ins Braungohlemuseum gewollt hatte, präsentierte einen eingebrannten ziegelroten V-Ausschnitt auf der Haut über ihrem Bikinioberteil, Üwe hatte sein rotkariertes Hemd ausgezogen und trug eine knappe Badehose. Ein Platz im Schnorchel-Schnupperkurs sei überraschend frei geworden, eine Teilnehmerin habe abgesagt, meldete Therese. Alle – Therese, Quirin und sämtliche Sachsen – sahen mich auffordernd an.
    »Gina? Was ist? Willst du nicht einspringen?«
    Zehn Minuten später stand ich zwischen den Sachsen im hüfthohen Wasser und biss auf das Mundstück eines Schnorchels. Anscheinend gab es bestimmte Wörter, auf die ich reagierte wie ein Drogenhund auf den Geruch von Cannabis. Notfall war solch ein Wort, dringend ein weiteres, und wie es aussah, gehörte einspringen auch dazu. Großartig.
    Ich hatte zu tun.
    Ich musste ein Testament finden.
    Mich um die Tourpläne meiner Künstler kümmern.
    Meine Mailbox flottmachen.
    Vielleicht hatte Mirko mir längst gestanden, mit einer vor Leidenssschaft heissseren SSStimme, wie der Sprecher der Gänsehaut-Reihe sagen würde, dass ihm SMS nicht mehr genügten, dass er sssich danach ssssehnte, meinen brünssstigen Leib an sssich zu presssen …
    Bei dieser Vorstellung atmete ich schneller, durch den Mund, ein und aus, wie Quirin es vorgab. Alle um mich herum glubschten hinter riesigen Plastikbrillen mit Plastiknasenüberzügen hervor, ihre Lippen waren fixiert, um den Schnorchel herum, festgefroren in einem Ausdruck dümmlichen Staunens. Ich hatte keinen Grund anzunehmen, dass ich besser aussah, dass ich mit Maske, Schnorchel und Flossen nicht wie ein bekiffter Frosch unter künstlicher Beatmung wirkte. Umso mehr ärgerte ich mich über Quirin, der eine elegante Schwimmbrille ohne Nasenschutz trug, sein T-Shirt abgestreift hatte und sich im kurzärmeligen, glänzenden Neoprenanzug präsentierte.
    Meine Flossen waren der ausgefallenen Teilnehmerin angemessen, die anscheinend riesige Füße hatte, Größe dreiundvierzig mindestens, als ich übte, mit ihnen zu fächeln, entschlüpfte mir die rechte Flosse, wurde aufgefangen von einem lächelnden Tauchlehrer. Der mich stützte, als ich sie wieder anzog. Auf einem Bein balancierend, klammerte ich mich an seine Schulter, roch seinen Schwimmbadduft aus nächster Nähe.
    »Okay, Gina?«
    »Schchchch«, sagte ich, legte mich wieder flach auf das Wasser, fächelte und atmete. Von angsterregender Tiefe war hier zum Glück wenig zu merken. Ich sah erstaunlich klar durch die Brille, sah Quirins Füße in Plastiksandalen, braun gebrannte, kräftige Füße mit gewölbtem Spann, außerdem sah ich Kronkorken zwischen ausgemergelten Pflanzen am Grund, eine aufgequollene Zigarettenpackung, Fetzen von Tempotaschentüchern und begann zu ahnen, warum die meisten Leute lieber an Korallenriffen schnorchelten. Nachdem wir uns auf alle möglichen Weisen lächerlich gemacht, mit zugehaltener Nase den Druckausgleich geübt und durch unsere Schnorchel geprustet hatten, um eindringendes Wasser auszublasen, waren wir bereit für die Krönung des Schnorchel-Erlebnisses: senkrecht nach unten abzutauchen, um uns dann in der Waagrechten wieder zu stabilisieren, uns gegenseitig im Auge zu behalten und flossenwedelnd um eine imaginäre senkrechte Achse zu kreisen.
    Judda fächelte neben mir, mit dem Gesichtsausdruck einer paralysierten Gummipuppe, gemeinsam folgten wir Üwe, der sich anscheinend nicht mit imaginierten Achsen zufriedengeben wollte und flossenschlagend eine wirkliche senkrechte Achse fand: unseren Tauchlehrer. Vielmehr: den Unterleib unseres Tauchlehrers. Um den wir uns auffächerten wie ein Blätterkranz. Im Uhrzeigersinn kreisten wir, und glasklar sah ich: ein festes Neoprenhinterteil und angespannte Oberschenkelmuskeln, die Biegung einer Hüfte, eine schwarzglänzende Vorderfront mit allem, was dazugehörte. Unpassenderweise fiel mir ein, dass ich immer noch nicht wusste, was der Presssack in der

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