Eiertanz: Roman (German Edition)
so dass niemand die schmerzhaften Verrenkungen sah, die ich machte, um den sich festklammernden und zärtlich an meinem Ohr pickenden Papagei wieder loszuwerden. Wenn Gott, wie ich es im Religionsunterricht gelernt hatte, mein einziger Zeuge war, blieb ihm jetzt wohl nichts übrig, als fassungslos in sich hineinzukichern und sich wegzudrehen. Aber wie es aussah, half er mir trotzdem. Nach zehn Minuten schlich ich als Siegerin aus der Küche, mit zerkratzter Schulter und neu erwachtem Hexenschuss.
»Ich habe ihn eingesperrt. Du kannst rauskommen.«
Kurz darauf brachte Mirko seinen Koffer ins Schlafzimmer und ging ins Bad. Im Flur hörte ich, wie er die Dusche aufdrehte, wie das Wasser in die Wanne prasselte. Ich zwickte mich fest in den Arm. Und begrüßte sogar den stechenden Schmerz im Nacken. Der mir sagte, dass ich wach war. Hinter dieser Badezimmertür duschte Mirko. Splitternackt.
Kein Traum.
Vorhin am See hatte ich es noch nicht gerochen. Aber jetzt war er nicht mehr zu ignorieren, der Gestank nach frischer Gülle von den Feldern hinter dem Ortsschild her. Anscheinend hatten die Bauern der Umgebung beschlossen, extra zu Mirkos Ankunft etwas für die gute Landluft zu tun. Seit ich hier war, hatte es noch nicht so gestunken. Und noch nie hatten mich auf dem Rundweg am See so viele Mücken umschwirrt. Dies war nicht mehr nur die nette Insektengemeinschaft von Neuenthal, hier schien sich die Vereinigung der Stechmücken Bayerns zu ihrem Jahresausflug zusammengetan zu haben. Möglichst lässig schlug ich nach ihnen, versuchte, dabei nicht vor Schmerzen aufzustöhnen oder Mirko zu treffen, der aus irgendeinem Grund von ihnen unbehelligt blieb. Warum war ich nur so beschränkt gewesen, einen Spaziergang vorzuschlagen? Mirko hatte sich frischgemacht und sich dann in meinem Schlafzimmer ausgeruht. Es sei spät geworden, gestern, hatte er gesagt, er habe nach seinem Auftritt in Köln noch den Nachtzug genommen, morgen müsse er weiter nach München, er sei gleich wieder fit, müsse nur ein, zwei Stunden schlafen. In meinem Bett. Oh mein Gott. Allein die Vorstellung brachte mich fast um den Verstand. Aber ich musste mich zusammenreißen. Ich brauchte einen Plan.
Zuerst musste ich im Netz das Fernsehinterview finden, an das ich mich vage erinnerte. Ein Interview über Mirkos Liebesleben. Schon der Trailer brauchte Minuten, um sich aufzubauen, dann erschienen Mirko und eine Journalistin, unterhielten sich in abgerissenen, immer wieder von neuen Ladevorgängen unterbrochenen Sätzen. Perfektionist … verstand ich … Frau fürs Leben … natürlich … sportlich, ehrlich, treu, spontan, unkompliziert. Dann eine abgehackte, unverständliche Frage, Mirkos entwaffnendes Lächeln: Ja, häuslich … selbst viel unterwegs … kochen können … dabei noch geheimnisvoll … selbstbewusst …
Dementsprechend hatte ich mich vorbereitet, jetzt ging ich so selbstbewusst, wie es mir möglich war, neben ihm her, in meinem Jeansrock, einem Sportshirt und unkomplizierten, ehrlichen Sneakers. Unter meiner geheimnisvollen Paillettenkappe hatte ich mich dezent in Richtung Elfe zurechtgemacht. Mein Instinkt sagte mir, dass Männer eine unauffällig gepflegte Natürlichkeit wahrer Natur vorzogen. Um dem Güllegestank und der Mückenausflugsgruppe zu entgehen, andererseits dem See und seinen Tauchern und Surfern nicht zu nahe zu kommen, dirigierte ich Mirko auf den kleinen Weg, den ich am ersten Tag entlanggejoggt war. Nebeneinander überquerten wir die kleine Brücke über das Flüsschen, schlenderten Richtung Wiese, wo ich einst Regula getrotzt hatte. Von weitem sah ich den Stall, sah Kühe auf der Wiese.
»Puh – echt ländlich hier.« Mirko blieb stehen, schaute sich um. Was der Mückenausflugsgruppe Gelegenheit gab, uns einzuholen und an ihr All-you-can-eat-Buffet zurückzukehren. Ich spürte mindestens zwanzig feine Stiche. Auf all meinen unbedeckten Körperstellen. Aber ich hielt still. Denn Mirko sah mir in die Augen und strich mir eine Strähne aus der Stirn, die sich unter der Elfenkappe hervorgewagt hatte.
»Special Agent, ich wollte eigentlich nur in angenehmer Gesellschaft und Umgebung ein bisschen relaxen. Wenn ich gewusst hätte, dass ich in ein geruchsanimiertes James-Bond-Die-Vögel-Remake geraten würde … Na, wenigstens mit schönen Frauen.« Er legte mir leicht den Arm um die Taille, und wir gingen weiter, auf die Wiese zu.
»Ganz im Ernst, Special Agent, ich fühl mich gerade echt ein bisschen
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