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Eiertanz: Roman (German Edition)

Eiertanz: Roman (German Edition)

Titel: Eiertanz: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Brendler
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Blumen auf dem Balkon meinte, die, wie ich erst spät gemerkt hatte, aus Plastik waren. Oder den Sperrmüllberg. Seit Strobls Besuch hatte ich beschlossen, damit etwas lockerer umzugehen. Vielleicht ein wenig zu locker. Ich versuchte ein unbeschwertes Lachen.
    »Äh, drinnen ist es ein bisschen … voll, weißt du. Und, na ja, erschrick nicht, da ist auch noch …«
    »Picco hot oan fahrn lassn, hehehe! Brunza! Schau, dass d’ Land gwinnst! Brunza!«
    Ich hatte das Licht im Flur nicht angeknipst, das Chaos in gnädiger Dämmerung belassen wollen, ein Fehler, wie sich herausstellte, denn Mirko sah den Papagei, der ihm kreischend entgegenflatterte, erst im letzten Moment.
    »Verdammt!« Beide Hände vor dem Gesicht, versuchte er auszuweichen, und ich wedelte mit der Hand: »Gschgschgsch! Mistvieh! Hau ab!«
    Keckernd verschwand der Vogel im Dunkeln, nur um erneut auf Mirko loszufliegen, und blind tastete ich nach der Tür zum großen Zimmer, zog Mirko samt Koffer hinein, schlug sie zu. Mirko schaute sich mit wildem Blick im Raum um, in dem der Schrankinhalt von Planquadrat C4, Abschnitt 2a1 bis 2a5 immer noch auf den beklecksten Planen verstreut war.
    »Was, bei allen Göttern, war das? «
    »Ein … äh … na ja, ein Vogel, also ein Papagei. Er ist sonst nicht ganz so …«
    »Erst James Bond, dann Hitchcock. Das nennt ihr ruhiges Landleben?« Er ließ sich in den Sessel neben dem Käfig fallen. Nur um gleich wieder aufzuspringen und eins von Piccos grellbunten, hohlen Spielzeugförmchen auf den Boden zu werfen. Es hüpfte über den Boden, und aus ihm hüpfte der vermisste Käfer, schlitterte über die Plane und blieb liegen. Eindeutig tot. Trotzdem stieß ich einen kleinen Schrei aus.
    »Gschtinkata Hundskrüppe, herglaffana! Kruzifixnoamoi!«, antwortete Picco von draußen, pfiff durchdringend und böse.
    »Ein sympathisches Tier. Gehört der nicht hier hinein?« Mirko wies auf den Käfig, dessen Tür wie immer weit offen stand.
    »Ja, natürlich, aber das ist … na ja, nicht ganz einfach.«
    »Du schaffst das schon, Special Agent.«
    Er lächelte auf diese Art, die Frauen von Nord bis Süd wahnsinnig machte, angelte nach seinem Koffer. »Wo ist euer Gästezimmer?«
    »Äh … Gäste … Ja, natürlich. Du kannst in meinem … ja klar, in meinem Schlafzimmer … äh …« Ich verstummte. Mirko musterte mich. Jetzt erst bemerkte ich, dass ich immer noch nichts als einen Bikini und ein Handtuch trug. Und was um Himmels willen hatte ich eben gesagt?
    »Äh, ich meine, das Praktischste ist, ich ziehe um, weißt du, mein Schlafzimmer ist der einzige Raum im Haus, der aufgeräumt ist, also annähernd, ich meine … so ungefähr jedenfalls und …« Ich verstummte beschämt.
    »Der einzige Raum? Wirklich? Was treibt ihr denn hier?« Er fuhr sich durchs Haar. Seine Armmuskeln tanzten.
    »Ich … na ja, ich find schon einen Platz.« Wo? Etwa im ersten Stock, zwischen überquellenden Müllsäcken, Mirls Kotztüten- und Urinflaschensammlung? Inmitten der Kollektion von Nachttöpfen aus aller Welt?
    »Und natürlich kümmere ich mich um Picco.«
    Was folgte, versuchte ich zu verdrängen, noch während es geschah. Und ich wusste, auch mein Unbewusstes war nicht interessiert an dieser Erinnerung, wie ich im Bikini, mit einem Vogelkäfig in der Hand, flötend und lockend in einem dämmrigen Flur herumlief und versuchte, einen kreischenden, schimpfenden, in seiner Aufregung über sein sonstiges Maß porösen Vogel hineinzulocken. Während der Mann meiner Träume mir kopfschüttelnd zusah. Um sofort wieder im Wohnzimmer zu verschwinden, weil Picco sich auf ihn stürzte. Krachend schlug die Tür hinter ihm zu, und Picco hatte nichts Besseres zu tun, als auf meiner Schulter zu landen. Mit einem fragenden, beinahe zärtlichen: »Siehst du die Rute, Picco?« in dem klaren Hochdeutsch, zu dem meine Mutter mich und meine Geschwister erzogen hatte, gegen alle Einflüsse von Rheinländisch sprechenden Spielkameraden. Noch nie war ich Picco so nahe gewesen. Seine Krallen kratzten auf meiner Haut, seine Schwanzfeder kitzelte meinen Nacken.
    »Bist ein braver Vogel, sitz schön auf dem Stängchen. Gaaanz brav. Bleib bei Frauchen.« Unter diesen und ähnlichen schwachsinnigen Äußerungen schlich ich Richtung Küche. Kaum hatte ich den frei geschaufelten Gang zum Herd erreicht, zog ich die Tür hinter mir zu. Zum ersten Mal war ich Mirl dankbar, dass ihre Küchenfenster mit Kisten und Waschmittelgroßpackungen zugestellt waren,

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