Eiertanz: Roman (German Edition)
hatte ich mir heute das Balkonzimmer im ersten Stock vorgenommen. Im Erdgeschoss war nach meinem Gefühl nichts mehr zu finden. Auch wenn es noch unzählige unerforschte Reiche gab, vor allem in der Küche. Würde jemand ein Testament in einem Kühlschrank hinterlegen? Im Eisfach? Der Flaschen- und Dosenwall wirkte, als sei er seit mindestens zehn Jahren nicht mehr durchbrochen worden.
Gebückt vor dem Käfig stehend, einen verträumt plappernden Papagei auf der Schulter, rief ich Christiane an, sprach auf ihre Mailbox. Und stellte mir ihr Gesicht vor, wenn sie die Nachricht abhörte:
»Chris? Ich muss dich dringend erreichen. Haallo Mama. Mama liab. Ruf mich doch mal zurück, und sag mir, wann genau deine Tante dir gesagt hat, dass es ein Testament gibt. Ich muss wissen, ob es mehr als zehn Jahre … Picco hot oan fahrn lassn? … Die Nachbarin sagt, ihre Asche ist noch nicht einmal … bewundernder Pfiff … Picco, gssch, schööner Käfig. Chris, da ist noch etwas, Mirko … äh … also, es macht ihm total viel aus, dass ihr … Mama liab … Mama liab … Im Käfig, Picco, die Mama ist im Käfig. Halt mich jetzt nicht für verrückt, Chris, ich hab nur einen Papagei auf der Schulter. Chris, das hier schafft niemand alleine, ich bin noch nicht mal im ersten Stockwerk, weißt du, wie viel Arbeit … Mam… Es reicht! Picco! Wenn du mich noch ein einziges Mal Mama nennst, dann reiß ich dir jede Feder einzeln aus, du aufgeplustertes, nutzloses, poröses …« Beim Abhören würde spätestens an dieser Stelle Christianes Augenbraue endgültig unter den Ponyfransen verschwinden. Es war schier unvorstellbar: die patente Georgina, die bei den cholerischsten Veranstaltern und unmöglichsten Künstlern gelassen blieb, schluchzte, wenn auch unterdrückt, ihr Schluchzen wurde sofort wieder übertönt von einem besorgt fragenden Picco hot oan fahrn lassn? Ha? Picco hot oan fahrn lassn, hosd mi?, darauf der plötzliche Abbruch des Gesprächs. Eine halbe Stunde später, nach einem langen Papageien-Abschüttel-Tanz, einem wunderbar angerichteten Teller voller appetitlicher Bananenstücke an Schokoladebröseln mit Sonnenblumenkernen, einer Versuchung, der Picco schließlich erlag – warum hatte ich es nicht geschafft, für Mirko etwas nur halb so Ansprechendes herzurichten? –, rief ich Christiane noch einmal an. Gefasst entschuldigte ich mich, stellte alle Fragen erneut, bat um Aufklärung, Unterstützung und darum, mit Mirko zu reden, und legte auf. Um eine weitere halbe Stunde später, einen gurrenden Papagei auf der Schulter, den Tierarzt anzurufen.
»Ganz einfach, er ist verknallt.« Der Tierarzt hatte die Frechheit zu grinsen.
»Er ist … was?« Ich starrte Quirin an, anscheinend so fassungslos, dass er loslachte. Als er mein Gesicht sah, hörte er schnell wieder damit auf, pflückte den Papagei vorsichtig von meiner Schulter. Er hatte vorsorglich einen Handschuh angezogen, nicht ohne Grund, denn Picco hackte nach ihm, weniger rücksichtsvoll als sonst.
»Mei, du blöder Hammel«, sagte Quirin, zauste Piccos Gefieder, und Floh, der mich wegen Piccos anhänglicher Anwesenheit kühler als gewöhnlich begrüßt hatte, drehte sich prompt um. Was immer man gegen Floh sagen konnte, in seiner Abneigung gegen Picco war er konsequent.
»Er betrachtet dich als sein Weibchen. Und alle anderen als Konkurrenz.«
»Aber …«
»Ich weiß, ich weiß, jetzt kommt das, was Frauen immer sagen: Ich hab mich nicht aufreizend angezogen, ich hab nicht provoziert, das bisschen bauchfrei und die Highheels zum Minirock, also bitte, und da pfeift dieser unverschämte Kerl mir nach … Okay, Gina, das war blöd. Entschuldige. So was kommt bei Papageien vor. Er ist verknallt und spielt jetzt den Chef. Ich nehm an, dass er auf deinen Muskelmann auch nicht gerade begeistert reagiert hat?«
»Er ist auf ihn losgegangen.«
»Aha.« Quirin biss sich auf die Lippe. Lachte er etwa? Bevor ich es feststellen konnte, drehte er sich um, trug Picco zu seinem Käfig.
»Picco, du alter Bock, nach mir musst ned hacken, ich will nix von deiner Liebsten. Schau mal, du musst einen Stock nehmen, so geht er rein.«
»Ich bin nicht seine Liebste, er nennt mich Mama.«
»Dann ist er wohl schon auf dem besten Weg vom Gspusi zu einer ernsten Beziehung.« Jetzt zuckten seine Mundwinkel, er versuchte, sich zu beherrschen.
»Am besten, wir behalten ihn ein paar Tage im Käfig. Damit er ein bissl runterkommt, der Arme. Versetz dich halt mal
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