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Eiertanz: Roman (German Edition)

Eiertanz: Roman (German Edition)

Titel: Eiertanz: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Brendler
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zurecht, der Verdacht, jemand suche das Testament, oder meine irren Gespräche mit dem Papagei – wusste Julia auch nicht. Nach ihrer Rückkehr von der Event Fair hatte unsere Chefin nur verkündet, Julia solle mir helfen, so schnell wie möglich. Warum sie nicht selbst fuhr, hatte sie nicht gesagt. Christiane sei, beklagte sich Julia, überhaupt äußerst schlecht gelaunt, sie tippe auf Beziehungsprobleme. Worauf sich mein Gewissen wieder meldete.
    In den letzten Tagen hatte mein iPhone mehrmals den verheißungsvollen Hupton in den Raum geschmettert, in dem ich gerade unter Hexenschuss-Schmerzen gegen plötzlich einstürzende und alles unter sich begrabende Regalbretter oder verliebte Papageien kämpfte, und jedes Mal war ich mit klopfendem Herzen auf das Telefon zugestürzt. Zweimal fragte mich Mirko, ob ich schon mit Christiane geredet hätte, er denke an mich, und es sei doch ein lustiger Abend gewesen. Die anderen SMS waren von Ralli. Ob ich mit ihm den Göttern der Liebe und des Begehrens dienen wolle, eine Frage, die ich mit einem eindeutigen: lass mich in ruhe beantwortete, was ihn anscheinend so aufstachelte, dass er mir mitten in der Nacht ein längeres Gedicht schickte, irgendetwas über eine Schäferstunde auf dem Land, ich las es nur flüchtig. Als ich Julia am Telefon davon erzählte, beruhigte sie mich.
    »Wieso schlechtes Gewissen? Chris ist doch selbst schuld, wenn sie mit ihrem Freund solche Abmachungen trifft. Wie war das noch, was du erzählt hast: Nur wer frei ist, kann auch fliegen? Vielleicht ist er jetzt davongeflogen. Süße, ich freu mich so auf dich!«
    Ich freute mich auch. Und wie ich mich freute. Seite an Seite würden wir in den Planquadraten arbeiten, mindestens doppelt so schnell vorankommen, beflügelt von unseren Gesprächen. Abends würde ich ihr bei einer kalorienreduzierten Pizza und Aperol Spritz meine Hoffnungen, Wünsche und Ängste wegen Mirko anvertrauen – gut, ich hatte es auch schon am Telefon getan, aber das war nicht dasselbe –, und sie würde mich trösten, mich dann kichernd bitten, ihr noch einmal von meinem Kochexperiment zu erzählen, und alles wäre nur noch halb so schlimm. Vor mich hin pfeifend sichtete ich eine beachtliche Sammlung von Nachttöpfen in allen Größen und Farben, mit oder ohne Deckel, mal mit Rosenmuster, mal cremeweiß, dazu Urinflaschen aus Kunststoff oder Glas, mit hochgerecktem oder abgeflachtem Hals, mit oder ohne Griff, Pfropfen oder Plastikverschluss. Ich packte alles in Kisten, klebte die Kisten zu, falls die alte Burgl noch einmal vorhatte, dem anwachsenden Sperrmüllberg einen Besuch abzustatten. Stundenlang trug ich im Balkonzimmer Stapel von Beistelltischchen und Schränkchen ab, rückte verstaubte Sessel in den Flur. Mit Franzis schnaufender Hilfe schleppte ich alles die Treppe hinunter. Was denn jetzt mit dem Bräd Pitt sei, wollte sie wissen, sie habe gehört, ich hätte eine geschwollene Nase gehabt. Und ob Burgl wirklich die Kondome vor dem Haus verstreut habe? In ihrer Frage schwang unüberhörbar ein »Wirklich alle Kondome, oder ham ned doch oans oder zwoa gefehlt? Es geht mi ja nix an, aber …« mit, und ich war froh, dass ein sich überraschend entleerender Müllsack allen Fragen ein Ende machte. Bestimmt zweitausend Korken prasselten und hüpften um uns herum, immer treppab, begleitet von Piccos begeisterten Schreien und Pfiffen. Vermutlich bedeutete es einen Fortschritt, dass Picco nun auch Franzi nachpfiff, vielleicht lag es auch an ihrem Outfit: Posthörnchen-Leggins, Pantoletten und ein Shirt, auf dem sich zwei gewaltige Weißbiergläser in die Breite zogen, die Schaumkronen passgenau auf Franzis Vorbau platziert.
    Darüber stand: Duttln und Bia, des rat i dia. Ich belohnte Picco mit frischen Erdbeeren dafür, dass er bereit war, seinen Horizont zu erweitern, und während er sie in aller Manierlichkeit verzehrte, bestaunte Franzi das Mobiliar im und vor dem Haus.
    »Am Zwoarazwanzigstn schauma ma, gä?«, sagte sie, bevor sie ging. Was sie damit meinte, wusste ich nicht, aber am nächsten Tag, als ich zum Bahnhof aufbrach, um Julia abzuholen, sah ich die golden eingerahmte Zahl Zweiundzwanzig auf dem Kalender neben der Haustür. Ich hatte diesen Kalender, vermutlich von Mirl selbst dort hingehängt, von mir in mühsamer Kleinarbeit freigelegt, nie besonders beachtet, das umkränzte Datum nicht bemerkt. Hätte Mirl an diesem Tag Geburtstag gehabt? Und plante das Dorf etwa eine posthume Feier, womöglich eine

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