Eiertanz: Roman (German Edition)
in seine Lage. Warst noch nie aussichtslos verknallt? Picco, du Hallodri, ich fürcht, wir müssen dir die Tür verriegeln, hast irgendwo an Stück Draht, Gina?«
Eine Hand an der Käfigtür, schaute Quirin sich im Zimmer um. Ich hatte die Weingläser weggeräumt, aber die Decke, unter der ich geschlafen hatte, lag noch auf dem Sofa, die Papstkerze, in deren Schein ich schlaflos in Zeitschriften geblättert hatte, bis der Kopf des Papstes weggeschmolzen war, stand auf dem Tisch. Daneben die Keksdose aus Steingut. Die ich gestern Abend noch auf dem Kaminsims gesehen hatte, ich erinnerte mich genau. Jetzt hatte Picco einen seiner grünweißen Flecken auf ihr hinterlassen. Ich griff nach dem Vorhängeschloss auf dem Tischchen, auf dem Piccos Spielzeug herumlag, verstreut wie immer. Aber war der Tisch nicht ein Stückchen verrückt, weg vom Kamin?
»Wann kommt er denn wieder, dein Mister Universum?«
Quirin nahm das Vorhängeschloss, bedachte mich mit einem spöttisch blitzenden Blick.
»Ich wüsste nicht, was dich das anginge.« Es war etwas unfreundlicher herausgekommen, als ich beabsichtigt hatte, aber Quirin zuckte nur mit den Schultern, brachte das Schloss am Käfig an.
»Siaggst, Picco, so geht’s im Leben, du verliebst di ned in die netten Madln, sondern in die zickigen, und ruckzuck sperrn’s dich ein. Aber es ist ned für lang, ich versprech’s.«
»Wer hat eigentlich alles einen Schlüssel für dieses Haus?«
»Wieso?«
»Weil ich den Verdacht habe, dass außer mir noch jemand sucht.«
»Mei, Gina, das ist doch Schmarrn, wer soll denn das sein?«
»Dein Vater müsste doch sehr daran interessiert sein, dass der Strobl hier kein Hotel hinsetzt. Vor allem nach dem, was der Strobl über das Stück Ufer gesagt hat, das eigentlich zu diesem Grundstück hier …«
»Und das glaubst ihm, ja? Na, er ist ja dein Geschäftspartner.« Vor dem Käfig stehend, atmete Quirin einmal tief ein und wieder aus. Ich sah nur seinen Rücken, seine Schulterblätter unter dem engen T-Shirt. Dann dreht er sich um. »Du kommst her und hast von nix eine Ahnung, aber verdächtigst ganz gemütlich meinen Vater, sich Grund und Boden unter den Nagel gerissen zu haben, der ihm ned gehört, und ein Testament stehlen zu wollen.«
»Ich hab niemanden …«
»Bemüh dich nicht. Glaub, was du willst. Also, am besten, du nimmst dir feste Zeiten, in denen du dich hersetzt und ein bisschen mit Picco schwatzt. Grad, wenn er im Käfig sitzt, braucht er mehr Ansprache als sonst. Dreimal am Tag. Mindestens.«
»Klar, ich hab ja sonst nichts zu tun. Und über welche Themen soll ich mit ihm reden? Politik? Bücher? Königshäuser?«
Mir reichte es jetzt auch. Was bildete sich dieser arrogante Kerl in diesem albernen Tauchschul-T-Shirt eigentlich ein, mich so zurechtzuweisen?
»Euch zwei wird schon was einfallen. Von mir aus auch über Bodybuilding. Komm, Floh.«
Nachdem der Tierarzt weg war, inspizierte ich noch einmal das Erdgeschoss, schnupperte misstrauisch. Roch es vielleicht nach Zitrone, und ich hatte es in meinem Eifer, Picco loszuwerden, nicht bemerkt? Aber ich roch kein Zitronenaroma, nur Kerzenwachs, einen Hauch von verbrannten Poulardenschenkeln und einen frischen Sommerduft. Im Schlafzimmer war ein Handtuchberg umgefallen, Bügelbretter umgestürzt, die Bettdecke lag auf dem Boden. Am Morgen, als Mirko unter der Dusche stand, hatte ich einen kurzen Blick in das Schlafzimmer geworfen: Mirkos Koffer, offen, neben dem Bett, das kein bisschen zerwühlt, sondern ordentlich aussah, mit sorgfältig zurückgeschlagener Decke und kaum zerdrücktem Kissen. Das Mirko anscheinend nicht im Schlaf umarmt hatte, weil ihm etwas fehlte. Jetzt lag das Kissen mitten auf dem Bett, das Laken war zerknittert, als hätte jemand die Matratze herausgenommen und alles hastig wieder zurechtgestopft. Ich ging zurück ins große Zimmer, rief Christiane an, erzählte ihrer Mailbox von meinem Verdacht. Picco, kleinlaut und zerzaust auf seiner Stange, hörte zu, ohne dazwischenzuflöten. So, etwas bedröppelt in seinem Käfig, war er viel sympathischer.
»Brav, Piccolein. Siehst du, es geht doch. Und damit hat es jetzt auch ein Ende.« Ich nahm die Planen vom Boden und die bekleckste Keksdose vom Tisch, trug alles nach draußen, zum Sperrmüll.
10.
Z wei Tage später rief Julia mich an. »Du wirst es nicht glauben! Ich darf zu dir kommen! Süße, was sagst du jetzt?« Was bei Christiane gewirkt hatte – mein Geständnis, ich käme allein nicht
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