Eiertanz: Roman (German Edition)
er nach mir, als ich heimlich seinen Käfig aufschloss und seinen Wassernapf auffüllte, spät abends, während Julia und das Karöttchen längst im Balkonzimmer etwas übten, das sich nach dem Eber, der im Unterholz nach einer Perle stöbert oder Schlimmerem anhörte und Julia dazu veranlasste, unablässig jenen Satz zu wiederholen, den sie am hellen Tag auch immer wieder zum Karöttchen sagte, nur mit anderer Betonung: »Du bist so gut. Du bist sooo guuut!« Worauf das anscheinend äußerst beschäftigte Karöttchen wenig zu entgegnen hatte.
Es war lächerlich, eifersüchtig zu sein. Nicht auf das allabendliche Kamasutra aus dem Balkonzimmer. Und schon gar nicht darauf, dass Picco bald das Karöttchen angurrte und ihm mit schräg gelegtem Kopf die intimsten Dinge anvertraute: »Picco, die Rute, siehst du die Rute?«
»Woher hat er das?«
»Keine Ahnung.«
»Aber er klingt wie du, Gina.«
»Unsinn, er klingt wie meine M… Das bildest du dir nur ein.«
Damit begab ich mich zurück in den ersten Stock, um mich im Eckzimmer in Planquadrat C1, Abschnitt 3b4, Kiste, oberstes Achtel, einer beachtlichen Sammlung aneinanderklebender Kotztüten fernöstlicher Fluggesellschaften zu widmen. Während Julia und das Karöttchen sich seelenruhig zu ihrem nächsten idyllischen Spaziergang aufmachten, Cappuccino, Kuhkuscheln und Apfeldatschi inbegriffen.
»Jetzt noch amoi langsam, Anderl.« Therese stemmte die Arme in die Hüften. »Du laufst nach vorne, bleibst einen Moment stehen und schaust a bissl nett ins Publikum. Dann drehst dich um und laufst zruck, was ist daran so schwer?«
Wir standen im Lodenmodenladen. Therese, Julia und das Karöttchen hatten Paravents zum Umkleiden aufgestellt und auf dem Boden einen Laufsteg eingezeichnet. An dessen erster Kreidelinie Anderl verharrte, in Kniebundhosen aus Leder und einem karierten Trachtenhemd.
»Also, worauf wartest noch? Oans, zwoa, drei, los!«
Bestimmt drei Sekunden tat sich gar nichts, dann latschte Anderl nach vorne, stand mit hängenden Armen an der vorderen Linie des Laufstegs, schaute wild um sich.
»Musik wär vielleicht eine gute Idee«, sagte Julia, und Anderl fuhr herum, artikulierte einen Satz, aus dem ich das Wort »Ballettschwuchtl« herauszuhören meinte. Ich sah Quirin neben mir fragend an, doch er winkte nur ab.
»Du sollst kein Ballett tanzen, des is a Modenschau, und a Dressman is was ganz Normales, kreizkruzifixnoamoi!«
Therese raufte sich die Haare. »Jetzt ihr, Kathi und Pragit! Oans, zwoa, drei!« Aber nur das Karöttchen machte einen vorsichtigen Schritt über die Linie, das Mädchen aus der Nail-Art-Metzgerei rührte sich nicht von der Stelle, wiegte sich zu ihrem eigenen Beat aus ihren Ohrstöpseln, vollends ausgelastet damit, eine riesige Kaugummiblase zu produzieren.
Es war Julias Schuld, dass wir hier standen und nicht unseren Aufgaben in Planquadrat C2 Eckzimmer, erster Stock nachkamen. Schon bei unserem ersten gemeinsamen Besuch im Laden hatte sie Therese ausgefragt, nach Lieferanten, Stoffqualität, Modellen, und später hatte Therese ihr und dem Karöttchen anvertraut, dass sie eine Modenschau plane. Wegen der unerbittlichen Konkurrenz. Die aus niemand anderem als Özcan Breithuber bestand. Seit er neben seinem Döner 24 und seiner Haxn-Hotline auch eine private Schneiderei betrieb, waren ihr viele Stammkunden weggelaufen. Sogar Touristen interessierten sich schon für seine Kreationen. Dass Franzi als amtierende Bierkönigin sich nicht von ihr einkleiden lassen wollte, machte alles noch schlimmer. Seit der Negligéparty, bei der auch Özcans Modelle getragen wurden, plante sie ihre Modenschau, hatte Anderl, Kathi vom Frisiersalon, Nat Wildmoser, Quirin und Susn gewonnen. Und jetzt war Susn weggelaufen, die nicht nur bedienen, sondern auch besser kochen konnte als Therese. Dabei noch die Kühe. Julia war strahlend von ihrem Besuch bei Therese zurückgekommen und hatte mir begeistert eröffnet, dass alles geregelt sei: Das Karöttchen würde die Küche im Café übernehmen, während sie Therese bei der Inszenierung der Modenschau hilfreich zur Seite stehen wollte.
»Und du läufst natürlich mit, Therese meint, du hast die absolut angesagte Dirndlfigur!« Auf meinen vorsichtigen Einwand, ich hätte noch ungefähr achtzigtausend Planquadrate abzusuchen, übrigens mit ihrer Hilfe, hatte sie mich nur verständnislos angesehen: »Aber Gina, das ist ein Notfall.«
Vor mir eierte Kathi über den Steg, hinter dem Karöttchen her, das
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