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Eifel-Blues

Eifel-Blues

Titel: Eifel-Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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weiß er noch weniger als wir.«
    Rodenstock kam zurück und übernahm sofort das Kommando. »Wenn Sie mir vielleicht einen Teller geben würden, gnädige Frau? Dann breche ich die Schokolade, und wir ersparen uns klebrige Finger.«
    Elsa sagte nichts, Elsa konnte nichts sagen, Elsa verschwand, um das Tellerchen zu holen.
    Rodenstock sagte nichts, Rodenstock hatte offenbar Zeit. Er zerbrach die Tafel Schokolade mit spitzen, kräftigen Fingern und schaute sich aufmerksam um. Er nahm dankbar das Tellerchen von Elsa entgegen und legte die Schokolade darauf. Dann griff er in die Innentasche seines Jacketts, holte ein Lederetui heraus, entnahm ihm eine beachtlich dicke Brasil, kramte umständlich nach einem kleinen Taschenmesser, spitzte den Mund, machte die Zigarre naß und schnitt sie so behutsam ab, als sei das eine lebensbestimmende Operation. Die Zigarre legte er auf den Aschenbecher, ohne sie anzuzünden.
    Es war nahezu peinlich, aber Elsa und ich starrten ihn beide fasziniert und wortlos an. Er lächelte uns an, sagte nichts, schaute sich nur um.
    »Der Kognak steht auf dem Küchenschrank, falls Alfred ihn nicht entdeckt hat«, sagte ich.
    Er blinzelte. »Aha, Alfred Melzer«, sagte er dann und nickte gedankenschwer. »Ich habe davon erfahren.« Dann zog er ein Knie hoch, betrachtete gedankenverloren das Schnürband in seinem schwarzen glänzenden Halbschuh, zog es auf und verschnürte es neu – betulich und gewissenhaft, als sei es ein Kletterseil, an dem sein Leben hängen könnte.
    Ich begriff plötzlich, daß dieser Mann jeden Verdächtigen im Verhör allein durch seine Rituale wahnsinnig machen mußte.
    Elsa löste sich und ging den Kognak holen. Krümel schnürte herein und blinzelte Rodenstock an.
    »Hallo, Dame«, sagte er.
    »Sie ist tatsächlich ein Weibchen«, sagte ich.
    »Man sieht es«, murmelte er. »Na, meine Kleine, bist du zufrieden mit deiner Herrschaft?«
    Krümel kam zwischen seine Beine und ließ sich kraulen. Das sah nach Verrat aus.
    Dann kam Bewegung in die Szene. Elsa brachte den Kaffee, goß ein und setzte sich, Rodenstock zündete seine Zigarre an. Ich goß ihm Kognak ein. Als die Zigarre brannte, deutete er auf die Schokolade und murmelte: »Bedienen Sie sich.« Er nahm ein Stückchen, lutschte darauf herum, trank einen Schluck Kaffee, wälzte den im Mund, dann eine Winzigkeit Kognak, dann ein langsamer Zug an der Zigarre. Und dann seufzte er. Wenn er jetzt den Rücken wohlig an der Sessellehne geschubbert hätte, um Ungeziefer zu entfernen, hätte ich es geglaubt.
    »Ich nehme an«, sagte er, »daß Sie sehr viel wissen. Aber Sie werden nicht in der Lage sein, bestimmte lose Fäden miteinander zu verknüpfen. Machen Sie sich keine Vorwürfe, das kann ich auch nicht. Können wir uns austauschen?«
    »Was haben Sie zu tauschen«, fragte ich.
    »Einen Brief«, sagte er. »Einen Brief, den eine gewisse Marianne Rebeisen an den Vater ihres Kindes schrieb. Zwei Tage, bevor sie ermordet wurde.«
    »Lieber Himmel!« hauchte Elsa.
    Er sah sie freundlich-väterlich an. »Keine Sensation, gnädige Frau, nur Ermittlungsarbeit. Aber ich muß wohl erklären, wie die Dinge stehen, sonst verstehen Sie die Zusammenhänge nicht. Wir, also die Staatsanwaltschaft Trier, wurden aus den Ermittlungen ausgeschlossen. Die Begründung war einfach, es gehe um die Staatssicherheit, und da sei allein die Bundesanwaltschaft zuständig. Mein leitender Oberstaatsanwalt ist wegen der Tötung zweier Zivilisten nun durchaus anderer Meinung. Es wird ein Nachspiel geben. Dr. Naumann ist der Ansicht, ich könne mich Ihnen anvertrauen. Ist das so?«
    »Ja, das ist so. Ich verpflichte mich, Ihnen das Manuskript zu zeigen, bevor ich es abliefere.«
    Er schüttelte den Kopf. »Das ist durchaus nicht nötig, mein Sohn. Im allgemeinen sind meine Erfahrungen mit Ihrem Berufsstand nicht sehr gut, aber ich bin durchaus lernfähig. Zur Sache: Erwarten Sie von mir keine Wunder, aber immerhin habe ich den Brief und eine vage Vorstellung davon, wie die Tat verlaufen ist. Wären Sie also bereit, all Ihr Wissen an mich weiterzugeben?«
    »O ja«, sagte Elsa begeistert.
    »Vorab allerdings eine Korrektur«, sagte ich schnell, um nicht den Eindruck zu erwecken, wir hätten nur auf ihn gewartet. »Sie sagten eben, zwei Zivilistinnen seien getötet worden. Das ist falsch, vollkommen falsch. Die Susanne Kleiber nämlich arbeitete im Auftrag des MAD. Und wenn ich das richtig einschätze, so hat man der Mordkommission, als sie noch arbeitete,

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