Eifel-Blues
großen Traum aufgeben.«
»Moment mal«, sagte ich heftig, »es geht uns ja nichts an, aber die Leute können doch nicht alle verrückt sein. Die reden doch von Tatsachen. Ihr Sohn wollte zurückkommen und was Neues aufziehen.«
»Das war ursprünglich so. Vor mehr als einem Jahr«, lächelte er. »Stimmt ja auch. Er hat mit Banken verhandelt, damals, die wollten auch einsteigen. Aber dann hat er sich entschieden, weil die Ehe kaputt war und weil er letztlich kein Bauer ist und kein BuUenmäster und kein Großschiachter. Man kann es ihm ja nicht übelnehmen, daß er mal geglaubt hat, er könne die Ehe noch retten, oder? Nein, wir haben geredet, er wollte nicht zurück.«
»Und seine Frau hat die Investition von fünf Millionen für sich allein gekriegt?« fragte ich.
»Sie hat das gedeichselt, und ich will sie nicht stoppen, und sie ... sie ist ... sie ist mir unheimlich. Sie war mir immer schon unheimlich. Es ist ... irgendwie ist es für sie so, als wäre Lorenz nie dagewesen.«
»Eine harte Frau, nicht wahr?« fragte Elsa.
»Hart? Hart ist gar kein Ausdruck«, sagte er. »Sie war schon immer so, und eigentlich habe ich Lorenz nie verstehen können. Sie ist der Typ, der beim Bumsen, Entschuldigung, der beim Bumsen bemerkt, er hätte nicht genug Bargeld bei sich.«
»Das muß doch eine große Enttäuschung für Sie gewesen sein«, murmelte Elsa.
»Das war es, das war es wirklich«, sagte er. Er wandte sich zu mir: »Worin bestand eigentlich Ihrer Meinung nach seine Stärke?«
»Erst mal war er ein guter Soldat«, sagte ich. Zum erstenmal dachte ich flüchtig daran, daß es ein gutes Gefühl sein müsse, jederzeit ohnmächtig werden zu können. »Als Mensch war er einfach verläßlich und sehr freundlich. Kein Muffelkopf, kein Kriegertyp.«
»Das denke ich auch«, sagte er langsam, als sei er allein. »Als Vater sieht man ja leicht an der Wirklichkeit vorbei, aber für seine Freunde war er immer da – egal, wie der Hase lief.«
Elsa sah mich kurz an und fragte dann: »War er denn auch Ihr Freund?«
Er lächelte. »Das ist eine berechtigte Frage.« Er räusperte sich. »Ja, wir waren Freunde, Gott sei Dank, ich weiß, daß das selten ist. Ich habe ja seit Jahren gemerkt, daß er kein Bauer war und auch nie einer sein würde. Wir haben in der letzten Zeit viel darüber geredet. Sehr viel. Wir haben uns auch mal angebrüllt. Und zuletzt habe ich ihn verstanden. Er hatte zwar die Höfe hier, aber er brachte es nicht, wie man so sagt. Er sagte immer: Vater, wenn es dir ganz beschissen gehen sollte, komme ich und helfe dir. Das sagte er immer wieder, und darauf war Verlaß. Er wußte schließlich auch, daß unser Berufsstand in die Binsen geht. Das machte ihm Kummer.«
»Ihnen denn nicht?« fragte ich.
»Und wie!« sagte er. »Ich kann mich bei meinem großen Betrieb noch eine Weile halten, aber auf Dauer bleibt nichts beim alten. Die kleinen Bauern hier sind längst kaputt, und manchmal erlebst du, daß einer sich drei oder vier Kühe hält, nur um nicht zu vergessen, wer sein Vater war. Diese Scheißpolitik hat uns kaputtgemacht. Wenn ich ein Altenheim für Bauern aufmache, kann ich massig Geld verdienen. Aber dann bin ich von Depressiven umgeben und gehe selbst ein. Ich bin zu alt, um noch was Neues anzufangen. Ich habe also der Gaby den Hof gegeben, sie will diese Mastindustrie aufbauen, und auf diese Weise kriegen meine Enkel, was sie sowieso gekriegt hätten. Hat Lorenz mit Ihnen darüber gesprochen?«
»Nein«, sagte ich. »Er war zu zurückhaltend.«
»Ja, er war kein Plappermaul.«
»Da sind aber viele Träume in den Arsch gegangen«, sagte ich mehr zu mir selbst.
»Das kannste laut sagen«, murmelte er. »Trinken wir ein Bierchen und einen Klaren? Ich sehe, Sie rauchen Pfeife, das gefällt mir.«
»Für mich einen Sprudel oder so was, ich trinke keinen Alkohol. War Lorenz nie mit den Kameraden seiner Einheit hier?«
»O doch. Er brachte seine Truppe zum erstenmal vor anderthalb Jahren hierher. Dieser Hartkopf war auch dauernd dabei, der sich um meine Schwiegertochter kümmert. Na ja, ich mag den Kerl nicht, aalglatt, Sie kennen ihn ja. Die Truppe ging damals immer in die Sandgrube saufen. Das war tierisch, war das. Aber Lorenz war bloß höflich, der mochte den Hartkopf nicht. Wissen Sie, warum?«
»Keine Ahnung, vielleicht berufliche Konkurrenz?«
»Glaube ich nicht, dazu war mein Sohn viel zu selbstbewußt. Aber ich muß ja auch nicht alles kapieren.«
»Hartkopf kam immer mit der
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