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Eifel-Blues

Eifel-Blues

Titel: Eifel-Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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Truppe?«
    »Anfangs ja, später kam er allein. Schon seit einem Jahr oder so, kam er immer allein. Eigentlich finde ich das ja rührend. Da gibt mein Sohn langsam seine Frau und seine Familie dran, und sein Kumpel springt ein. Hat sich wirklich doll um Gabriele bemüht, hat ihr auch später manchmal bei der Projektplanung geholfen, ist auch mit den Kindern spazierengefahren und so. Irgendwie gut. Aber ich kann ihn nicht ausstehen.« Er stand auf, klapperte nebenan in der Küche herum und stellte Bier und Schnaps und Sprudel auf den Tisch. Unser Gespräch wurde seltsam flach, weil wir flache Gedanken austauschten und alle an Lorenz Monning dachten.
    Ich sah Elsa und Monning wie Lebewesen in einem Aquarium. Sie hatten nichts mehr mit meiner Welt zu tun. Ich hörte ihn sagen: »Mein Lorenz war in vollem Umfang für diesen Staat ...«, ich hörte Elsa sagen: »Vielleicht konnte er einfach mit dieser Frau nicht leben ...« Aber ganze Sequenzen ihres Gespräches hörte ich gar nicht, sah nur, wie sie den Mund bewegten. Bilder überschnitten sich. Ich sah, wie Susanne Kleiber in strömendem Regen den Mund vor Entsetzen aufriß, ich sah, wie Marianne Rebeisen in panischer Angst in den Wald rannte, ich sah den Schäfer Meier geschockt auf zwei Leichen ohne Kopf in dem Jeep starren, ich sah, wie Messner das Gewehr langsam anlegte. Dann hatte plötzlich Gabriele Monning das Gewehr in der Hand und zielte irgendwohin, dann war es der Schäfer Meier, der schoß, dann wieder hatte Lorenz Monning das Gewehr auf Messner/Hartkopf gerichtet.
    Ich öffnete die Augen, und Elsa sagte erstickt: »Mein Gott, ich bin vollkommen blau.« Sie versuchte aufzustehen, aber es klappte nicht. Sie sah mich schuldbewußt lächelnd an, und ich sagte schnell: »Macht doch nichts.«
    »Das tut mir aber leid«, dröhnte Monning und lachte. Wir packten Elsa auf das Sofa, und sie jammerte, alles um sie herum drehe sich, aber dann schlief sie ein und atmete schwer.
    »Gehen wir an die frische Luft«, sagte Monning, nahm die Schnapsflasche und steckte sie in die Jackentasche. »Kommen Sie mal, ich zeige Ihnen was.« Er wirkte verschmitzt wie ein kleiner Junge und war jetzt sehr betrunken.
    Er ging durch die Diele auf den Hof, dann durch die Sonne in den Stall.
    »Hier waren mal Schweine drin«, sagte er und hielt sich an einer von der Decke baumelnden rostigen Kette fest. »Schweinekoben aus Stein, noch ganz im Original. Und es riecht noch immer nach Schwein, obwohl fünfzig Jahre vorbei sind.« Er stapfte nach vorn auf ein riesiges Paket zu, das mit einer groben Sackleinwand verhüllt war, und zog daran. Eine Staubwolke flog auf.
    Es war ein schwarz-grauer Wanderer, ein wunderschönes altes Auto.
    »Toll, was?« Er lachte, und seine Augen funkelten vor Vergnügen. »Baujahr vierunddreißig. Reiselimousine. Die stand bei einem Kollegen oben in Husum, aber die Maschine war verreckt. Und in Berlin sitzt jemand, der die Motoren nachbaut. Ich habe einen bestellt und einbauen lassen. Ein Vermögen, sage ich dir, ein Vermögen. Aber ist es nicht ein Traum? Das waren noch Autos, was? Alles Originalteile. Und alles für meinen Lorenz, der jetzt endlich zurückkommen wollte.«
    Er machte die Tür an der Fahrerseite auf und ließ sich seitlich in den Sitz fallen. Er nahm die Schnapsflasche und trank eine unglaubliche Menge. Dann verschluckte er sich, hielt sich an der Tür fest und ließ seinen Kopf auf den Arm sinken.
    »Lorenz hat sich so was sein Leben lang gewünscht, und jetzt sollte er es kriegen.«
    Da war plötzlich Wut in mir, und ich sagte laut und ganz ohne Beherrschung: »Verdammt noch mal, Bauer. Irgendeiner hier muß doch auf dem Teppich bleiben. Dein Sohn wollte nicht zurückkommen. Nie!«
    Sein Kopf kam hoch, er sah mich verschwiemelt an und versuchte zu lächeln, aber es wurde nur ein Zähnefletschen. »Doch, doch«, sagte er schwer. »Wort ist Wort. Ist ja gut, Junge, daß deine Frau besoffen ist. Ist auch nix für Weiber, was ich dir zu sagen habe. Lorenz wollte kommen, nachdem die Sache mit dem Krankenhaus war, weißt du? Guck mal, guck dir das mal an!« Er kam mühsam schnaufend hoch, machte den Gürtel seiner Hose auf, ließ die Hosen auf die Füße sacken, hob das Hemd und deutete theatralisch auf eine kleine rote, quer über seinen Unterbauch laufende Narbe. »Die haben mich aufgemacht, verstehst du? Diesen Frühling. Sie haben mich wieder zugemacht und gesagt, alles wäre in Ordnung. Aber ich habe den Doktor an den Kanthaken genommen und

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