Eifel-Bullen: Kriminalroman aus der Eifel (German Edition)
war wirklich der reine Blödsinn. Marcus wurde immer komischer, sage ich mal. Er flippte aus, wenn ihm was nicht passte. Wir hatten damals einen Mathelehrer, der davon gehört hat. Der sagte: Du brauchst einen Therapeuten. Marcus ging dann zu einem Therapeuten, aber nur kurz. Er sagte, der Therapeut wäre ein Idiot und hätte keine Ahnung.«
»Hatte er Freunde?«
»Eigentlich nicht. Ja klar, ich war da. Aber für mich war das auch schwer, denn er benahm sich komisch, und wenn er ausflippte, kannte er mich nicht. Das war so, als hätte er zwei Leben, eines für die normale Zeit und eines für die Zeit, in der er neben der Spur lief. Da gab es ein Mädchen damals, kurz vor dem Abi. Die Rieke. Also, sie hieß Ulrike. Die wollte er haben, aber die wollte nicht, sie stand nicht auf ihn. Wir waren so achtzehn, neunzehn damals. Da geht er eines Abends hin und legt ihr zwei oder drei Hundertmarkscheine hin. Er sagt kein Wort dazu, legt einfach das Geld hin. Die war natürlich sauer, weil das so aussah, als könnte man sie kaufen. Sie nimmt die Scheine und schmeißt sie einfach weg. Sie steht auf und geht weg. Da flippte er aus und brüllte rum. Da ist er sogar auf mich losgegangen. Er kannte keinen mehr aus der Runde. Er war einfach in einem verrückten Zustand. Das war sehr schlimm, das kannst du mir glauben, und wir wussten ja auch nicht, was man da machen kann. Am nächsten Tag tut er so, als wäre das alles nicht gewesen, und er sagt: Hallo Rieke! Alles klar? Also, das Mädchen hatte richtig Angst, würde ich sagen.«
»Gibt es das Mädchen noch, lebt sie irgendwo in der Nähe?«
»Sie hat einen Winzer aus Traben-Trarbach an der Mosel geheiratet, sie haben zwei Kinder, glaube ich. Wenn man sie nach Marcus fragt, fängt sie noch immer an zu zittern.«
»Was ist mit Geld? Er verdient ja nun ziemlich viel. Wie benimmt er sich auf dem Sektor?«
»Der Vater war ja geizig, sagte ich schon. Marcus kriegte überhaupt kein Taschengeld, er musste es sich verdienen. Wenn er mal Geld haben wollte, musste er das beim Vater verdienen, sonst nirgendwo. Ich habe ihm mal Geld geliehen, er wollte es sofort zurückzahlen, kein Problem. Es war auch nicht viel, zwanzig Mark oder so. Der Vater hat es irgendwie herausgekriegt, und Marcus musste zwei Tage lang, acht Stunden am Tag Mahnbriefe an Kunden schreiben. Das war wirklich krass. Viel krasser war aber, dass Marcus von seinem Vater ein Schreiben vorgelegt bekam. Auf dem stand:
Ich habe von meinem Freund Jamali zwanzig Mark geliehen. Ich zahle ihm das Geld im Namen meines Vaters zurück. Es wird nie mehr vorkommen
. Ich habe gesagt, du kannst so etwas nicht unterschreiben, das ist doch krank. Aber er unterschrieb. Ich glaube, sein Leben ist ganz klein, es richtet sich nach Cent und Euro, oder nach Dollar. Etwas anderes kann er gar nicht mehr denken. Das ist auch mit seinem neuen Haus in Mürlenbach so. Er kann dir genau sagen, wie viel er an jeder Kleinigkeit in dem Bau verdiente. Er sagt: ›Es hat einen Wert von gut zwei Millionen, aber bezahlt habe ich nur anderthalb!‹ Das hat er mir bei der Einweihung vor zwei Jahren gesagt. So ist er eben.«
»Ist er gierig?«
»Aber ja.«
»Wie steht er denn zu diesem Bludenz?«
»Das weiß ich nicht. Er wird ihn benutzen. Manche Leute bei ihm sind Schraubenzieher, manche Hammer, manche Dietrich, manche Messer. Er nennt sie auch so. Das richtet sich danach, wie er sie benutzen kann.«
»Wie ist er in der Gruppe, im Team? Bringt er sich ein?«
»Er weiß gar nicht, was Gruppe oder Team überhaupt ist, er lebt allein für sich, er hat keine Freunde, er ist ein armes Schwein. Er war immer schon ein armes Schwein.«
»Danke«, sagte ich.
16. Kapitel
Ich fuhr nach Hause, Tessa war schon weg, wahrscheinlich bei Rodenstock oder bei Kischkewitz oder in Trier. Sie hatte einen kleinen Zettel auf den Esstisch gelegt.
Meine Drohung lautet: Ich komme wieder!
Mein Kater lag auf meinem Sessel und schlief tief und fest.
Ich rief die Eltern von Gaby Schirmer an, der Vater war am Apparat.
»Mein Name ist Baumeister, ich lebe in der Eifel und schreibe über sie. Kann ich Ihnen ein paar Fragen zu Ihrer Tochter Gaby stellen?«
»Nicht so gerne«, sagte er trocken. Er hatte eine tiefe Stimme, wirkte sehr ruhig und sehr bestimmt. »Wie lauten denn die Fragen?«
»Wie sie gelebt hat, wie ihr Alltag aussah.«
»Das klingt so, als hätten Sie großartige Geheimnisse ausgegraben. Wie sehen die denn aus?«
»Ich habe nicht einmal ein einziges Geheimnis
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