Eifel-Bullen: Kriminalroman aus der Eifel (German Edition)
ausgegraben, ich habe, ehrlich gestanden, gar nichts.«
»Meine Tochter lebte in diesem Haus, in einer Einliegerwohnung. Wir kannten ihr Leben nicht.«
»Sie nehmen es mir sicher nicht übel, wenn ich das nicht glaube.«
Er räusperte sich und sagte: »Wir haben in den vergangenen Tagen erlebt, dass unser Kind durch alle möglichen schlechten und dreckigen Kellergewölbe des Lebens gezogen wurde. Es war die eisige Kunst, aus Gerüchten Nachrichten zu machen, es war die höllische Möglichkeit, aus irrwitzigen Denkweisen Tatsachen zu schmieden. Sie nehmen es mir nicht übel, wenn ich nicht Teil dieser Welt sein kann. Nichts von Friedfertigkeit, nichts von der gebotenen Vorsicht, das Leben meiner Tochter unberührt zu lassen. Jetzt, da sie sich nicht wehren kann. Vielleicht ist es besser, Sie sprechen mit meiner Frau.«
Das, was er sagte, tat richtig weh. »Wenn das geht. Da wäre ich Ihnen dankbar.«
»Moment, ich verbinde Sie.«
Es gab einige Geräusche, dann meldete sie sich. »Schirmer.«
Ich wiederholte das, was ich schon dem Vater gesagt hatte. Ich bat sie um ein Gespräch. »Ich möchte einfach wissen, wie sie lebte, über was sie gerne mit Ihnen sprach, und so weiter.«
»Wenn Sie meinen, dass ich das kann.« Eine kleine, vorsichtige Stimme, ein Säuseln nur. Das war alles.
»Ist es Ihnen recht, wenn ich in einer halben Stunde bei Ihnen bin?«
»Kommen Sie nur.«
Ich fuhr also gemächlich nach Daun und dachte unterwegs darüber nach, wo denn Horst Walbusch und Gaby Schirmer gelebt haben mochten. Wenn die Ehefrau von Walbusch eindeutig angab, er sei oft abends verschwunden, dann musste ich die gleiche Auskunft von der Mutter der Gaby Schirmer bekommen. Jedenfalls nach logischen Gesichtspunkten. Wahrscheinlicher war aber wohl das Fehlen jeder Logik.
Sie hatten ihr privates Häuschen oben auf den Wehrbüsch gebaut, und es machte den Eindruck, als seien sie in ihrem Leben erfolgreich gewesen. Der Studienrat hatte wohl die geistige Nahrung mitgebracht, und sie das Geld aus ihrer Apotheke.
Ich klingelte, Frau Schirmer öffnete mir. Sie war eine überraschend schöne, alte Dame mit langem, silbernem Haar und ganz neugierigen, braunen Augen. Sie lächelte leicht und sagte: »Kommen Sie doch durch.«
Vom Wohnzimmer aus konnte man über ganz Daun blicken, und gegenüber stand die alte Dauner Burg im hellen Sonnenschein.
»Trinken Sie einen Tee mit mir?«
»Aber gerne«, nickte ich.
»Sie können Zucker oder Milch nehmen – oder beides. Ja, ich weiß nicht recht, wie ich Ihnen helfen kann. Die Gaby hat ja in der Einliegerwohnung unter uns gelebt. Aber wir hatten nicht viel mit ihr zu tun. Sie hatte ja einen Dreischichtenalltag, sie lebte sozusagen neben uns, aber nicht mit uns. Und außerdem haben wir ja noch beide unsere Berufe. Also, wir sahen uns selten, wenn Sie verstehen, wie das hier ablief.«
»Aber sie war doch Ihre Tochter«, wandte ich ein.
»Ja, das wohl, das war sie. Aber sie war ja ganz heikel, wenn man sich einmischte. Kürzlich war sie schwer erkältet, und ich sagte ihr, sie gehöre zwei, drei Tage ins Bett. Da wurde sie richtig zornig und sagte: ›Mutter, das ist immer noch meine Erkältung!‹« Sie lächelte ein wenig hilflos. »Aber was soll man da machen? Sie ist nun einmal so, also, sie war nun einmal so wie sie ist. Sie ließ sich nie reinreden. Die Wäsche, zum Beispiel, das war ein richtig schwieriger Punkt. ›Kind‹, sagte ich immer, ›leg die Wäsche und alles raus, was du gewaschen haben willst.‹ Also die Jeans und die T-Shirts und die Hemden. Ich komme meistens gegen halb sieben aus der Apotheke, und ich habe Zeit für die Wäsche und so. Aber nein, sie ließ sich das nicht nehmen, sie machte alles selbst, sogar die Bettwäsche. Mein Mann sagt immer: ›Du musst sie lassen.‹ Aber ich habe gedacht, sie hat ja einen schweren Dienst. Aber das wollte sie alles nicht. Sie hat nie etwas angenommen, also keine Hilfestellung, meine ich.«
»Wie war sie denn als Kind, Frau Schirmer?«
»Also, der reine Wildfang. Wir konnten sie nie bändigen. Immer in Bewegung. Wir sind mal zum Baden an das Gemündener Maar gefahren. Und sie hat den Badeanzug an und rennt los. Ich sehe das und schreie: Halt! Aber sie ist schon im Wasser. Und sie konnte nicht schwimmen. Aber, sie schwamm, sie paddelte wie ein Hund, und damit war das Thema durch.«
»War sie denn ein schwieriger Teenager?«
»Nein, eigentlich nicht. Sie war wohl wie alle. Sie entdeckte das Leben und fand das herrlich. Das
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