Eifel-Bullen: Kriminalroman aus der Eifel (German Edition)
weiß ich genau, weil sie das auch sagte. Erste Liebe und so. Du lieber Gott, hat sie gelitten. Das war ihr Sportlehrer, so ein drahtiger, kraftvoller Typ. Ach Gott, hat sie gelitten! Aber irgendwann waren es dann Gleichaltrige, und sie wurde etwas vernünftiger.«
»Wie kam es denn eigentlich zu dem Beruf Polizistin? Ich meine, das kommt ja nun seltener vor.«
»Es war ein langer Weg«, erklärte sie nüchtern. »Sie wollte studieren, aber dann passte dies nicht und jenes nicht. Und irgendwann sagte sie: ›Mama, ich glaube, ich gehe zur Polizei.‹ Ich dachte, ich höre nicht richtig. Aber sie wollte es, und ich glaube, sie war auch glücklich damit.«
»Ihre Tochter war eine schöne Frau. Eigentlich nimmt man an, dass sie umschwärmt wird. Normalerweise musste da doch bald eine Hochzeit kommen. Aber das wollte sie wohl nicht, oder?«
»Sie hat über die Jahre gesagt, sie findet nicht den richtigen Mann. Das wäre schwer. Bis dann dieser Kollege auftauchte, dieser Horst Walbusch. Sie sagte, der wäre verheiratet, aber er ließe sich scheiden, jedenfalls hätte er das fest vor. Sie sagte: ›Ich liebe ihn!‹ Ich sagte: ›Kind, sei vorsichtig!‹ Aber natürlich hat sie sich von mir nichts sagen lassen. Sie sagte dann, sie hätte auch beruflich was mit dem vor. Sie wollten zusammen zur Kripo gehen. Also nach der Scheidung. Und dann nahmen sie die Einliegerwohnung bei Tante Anne, was ja gar nicht bekannt ist. Wir haben diesen Kripoleuten nichts davon gesagt, weil wir dachten, das finden die sowieso raus. Mein Mann hat gesagt: Das ist Gabys heimliche Höhle, und die geht niemanden was an. Er liebt ja diese Vergleiche. Aber ich habe alle Interviews in den Medien abgelehnt, genauso wie mein Mann. Wir wollten uns da nicht reinziehen lassen. Und die Medien sind ja hart heutzutage, und wenn du mal was sagst, was durchaus auch mal heikel sein kann, dann kannst du nicht zurück, dann ist es halt gesagt. Und es war immer ein Tonband oder ein Film dabei, und schon ist es passiert. Ich möchte auch, dass Sie das nicht öffentlich machen, das mit der Einliegerwohnung bei Tante Anne. Die will von den Medien schon gar nichts wissen. Das ist meine ältere Schwester. Oh Gott, ich muss da unbedingt hin und ihre Sachen rausholen und so. Aber morgen ist ja erst mal die Feierstunde in Trier. Eigentlich will ich das nicht, das mit den vielen Menschen. Aber man hat uns gesagt, das wäre in diesem Fall nicht zu umgehen. Und der Ministerpräsident kommt ja auch, und er wird ein Wort an uns richten. Mein Mann sagt, er überlegt immer noch, ob er hinfährt. Aber ich werde hinfahren. Und zwei Tage später wird sie hier bei uns beerdigt. Dann haben wir zwei Töchter auf dem Friedhof liegen. Wissen Sie, es ist schrecklich, zwei Kinder zu verlieren, ganz schrecklich. Uns ist nichts geblieben, nur eine ganz große Leere.«
»Ihre Tochter Marlene ist wohl Opfer eines Unglücks geworden, nicht wahr? Das ist mir erzählt worden.«
»Ja. Sie stürzte von einem Felsen in Gerolstein. Man denkt immer: Das überlebst du nicht. Aber irgendwie geht das Leben weiter.« Sie starrte auf ihre Schuhe hinunter. »Du denkst schon: Was soll ich eigentlich noch hier? Ich habe gar keine Tränen mehr.«
»Wo wohnt denn diese Tante Anne eigentlich?«
»In Dockweiler, gleich bei der Kirche. Sie hat da neu gebaut. Aber sie heißt nicht Schirmer, sondern Lothmann, sie ist verwitwet.«
»Sagen Sie, Frau Schirmer, hat Ihre Tochter Gaby jemals erwähnt, dass sie hinter den Dieben von teuren Autos her war?«
»Nein, das hat sie nicht. Aber sie erzählte ja auch kaum was von ihrem Beruf. Sie sagte immer: ›Mutter, das willst du gar nicht wissen, das ist nichts für deine heile Welt.‹« Sie sah mich an, in ihren Augen stand das blanke Elend, und wahrscheinlich war sie ohne Hoffnung.
»Kann ich Sie anrufen, wenn ich noch Fragen habe?«
»Ja, das können Sie. Sie haben ja die Nummer.«
»Vielen Dank für den Tee.«
»Sie haben keinen Schluck getrunken«, bemerkte sie nicht ohne Spott.
»Na ja, es war ja nicht gerade ein Gespräch beim Tee«, murmelte ich.
»Da haben Sie recht«, sagte sie.
Sie stand vor mir, klein aber unbezwingbar wie ein Berg. Aber sie weinte, und ich griff sie sanft bei den Schultern und sagte: »Gehen Sie davon aus, dass ich dankbar für Ihre Offenheit bin. Ich wünsche Ihnen allen Mut, den Sie brauchen.«
Dann setzte ich mich in mein Auto, fuhr in die Dauner Kaffeerösterei und bestellte mir eine herbe Schokolade mit einem Schuss
Weitere Kostenlose Bücher