Eifel-Connection
aber es war vorstellbar, wie sehr er darunter gelitten hatte. Keine Erben also, es sei denn dieser Sohn hatte Kinder, es sei denn, er hatte jemanden als Prinzen aufgebaut. Das konnte man erfragen.
Soviel ich wusste, hatte Seeth sein Leben lang zu einer Gruppe Männer gehört, die man überall die »Eifelbarone« nannte. Das hatte mit der Tatsache zu tun, dass sie alle Jäger waren, alle große Reviere gepachtet hatten und sich gegenseitig zu Jagden eingeladen hatten, um Geschäfte zu besprechen, Felder ihrer Tätigkeit gegeneinander abzugrenzen und zu sagen: Du machst dies, ich mache das.
So waren Basaltsteinbrüche, Bimssteinbrüche, Lavagruben, Kiesgruben, Rotsandsteinbrüche, Kalksteinbrüche, Granitsteinbrüche lautlos unter ihnen aufgeteilt worden. Es ging um das große Viereck Trier, Koblenz, Köln und Aachen. Niemand widersprach, weil niemand sich traute zu widersprechen, und weil letztlich auch niemand wusste, wem er widersprechen konnte. Es war eine ziemlich undurchsichtige Gemengelage, in der alle möglichen Leute stillschweigend kuschten. Angefangen von Förstern bis hin zu Truckfahrern, weil ihr Job davon abhing, reibungslos zu funktionieren, und den Eifel-Baronen nahtlos zuzuarbeiten. Und ganz zweifellos hatten sie auch die Bürokraten der höheren und niedrigen Verwaltungen dazu gebracht, ihnen mehr oder minder zu gehorchen, denn das Geschäft musste weitergehen und duldete keine unnötigen Aufschübe. Eifel-Connection konnte man das neudeutsch bezeichnen, und es hatte bisher perfekt funktioniert.
Der alte Seeth war also zweifellos ein gewaltiges Schwungrad in dieser sehr großen, stillschweigenden Maschine, die sich mit den natürlichen, sehr umfangreichen Lagerstätten aller möglichen Produkte aus Mutter Erde beschäftigte.
Wie konnte ich ihn dazu bringen, darüber zu sprechen? Ich dachte plötzlich, es sei vielleicht möglich, ihn offen und ohne Schnörkel anzugehen.
Als es acht Uhr war, rief ich ihn in Strohn an und hatte prompt wieder das furchtbare Weib in der Leitung, die sehr aggressiv wissen wollte, ob ich Herrn Seeth denn überhaupt kenne, berufliche Fragen hätte, irgendwelche Aufträge, irgendwelche Anträge, ob ich schon mal bei ihnen gewesen sei, oder ihr sagen könne, was ich denn eigentlich wollte, das Telefon stehe den ganzen Tag nicht still, und ständig seien Leute dran, die sich für wichtig hielten. Außerdem hätte sie sowieso keine Zeit, dauernd am Telefon zu sein. »Aber vielleicht sammeln Sie ja auch. Für die Caritas, oder so.«
»Ich möchte mit ihm sprechen«, betonte ich zum dritten Mal.
»Dann sagen Sie mir doch, was Sie wollen«, keifte sie unfreundlich.
»Das geht nicht«, sagte ich. »Es ist vertraulich.«
»Ich mache hier den Haushalt und den ganzen Rest«, widersprach sie hochmütig. »Bei mir gibt es kein vertraulich und nicht vertraulich.«
»Dann hätte ich gern gewusst, wen er zuletzt übers Ohr gehauen hat«, bat ich sanft.
»Oh«, sagte sie. »Und wie war Ihr Name?«
»Baumeister aus Brück«, antwortete ich. »Ich gebe Ihnen mal meine Nummer zum Mitschreiben. Haben Sie was zum Schreiben?«
Da legte sie auf.
Ich war nicht sonderlich zornig, schließlich gab es andere Wege. Ich griff zu einer sehr alten, konventionellen Methode. Ich schickte ihm ein Telegramm, sofort zuzustellen gegen doppelte Gebühr. Der Text: Können Sie sich vorstellen, dass ein ganz Neuer in Ihrer Branche auftaucht? Name, Wohnort, Telefonnummer, Datum. Das musste reichen.
Dann rief Emma an und hatte diese hohle Stimme, die sie einsetzte, wenn irgendetwas schiefgegangen war. »Also, die Anwälte von Nina haben angerufen. Wegen Christians Blackberry. Sie haben die Sache geprüft und festgestellt, dass man da nichts machen kann. Eine Klage hat keinen Sinn, sagen sie. Man wird niemandem die vorsätzliche Löschung von Daten zur Vertuschung beweisen können. Das scheint mir also aussichtslos.«
»Das ist nicht gut«, sagte ich. »Aber wir haben ja noch Florian. Versuchst du das, bitte?«
»Das mache ich. Und was läuft bei dir?«
»Vielleicht bekomme ich einen Termin mit dem alten Seeth, aber eben nur vielleicht. Und wir müssen in Sachen Bäuerin Jaax weitermachen. Du weißt ja, das beste Mittel gegen Erfolglosigkeit ist die Arbeit daran.«
Ich sah durch das Fenster, dass ein Motorrad vorfuhr, zwei Männer in dunkler Kleidung mit Helmen. Ich berichtete Emma, was ich sah, und beendete das Gespräch. Der Soziusfahrer stieg ab und nahm den Helm vom Kopf. Er trug eine dunkle
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