Eifel-Feuer
auch noch ethische und moralische Probleme dabei. Jedenfalls möchte ich gerne den Mörder oder die Mörder kennenlernen. Um zu kapieren, was da eigentlich gelaufen ist, reicht es nicht mehr, wenn du erzählst, wie die letzten Tage mit Carlo waren, ich muß auch wissen, wie das Netz aussah, das du mit Carlo um den General geworfen hattest. Und zwar ganz genau.«
»Das erzähle ich nicht, auf keinen Fall.« Sie wurde hastig, wirkte gequält, es war offensichtlich eine Erinnerung, die sie maßlos quälte.
»Aber warum?« fragte ich wütend.
»Weil ich begriffen habe, wie beschissen das alles war. Und Bad Godesberg ... na ja, ich habe immer gedacht: Sobald ich kann, haue ich da ab. Es war ja nicht die Stadt oder so, es war eigentlich mein Vater und ...«
»Scheiße!«
»Richtig«, nickte sie. »Ich hab in Köln am Eigelstein angefangen. Erst mal sittsam im Eros-Center, verstehst du, dann Privatpuffs. Später bin ich zurückgegangen zu meinen Eltern, weil das viel billiger war. Und mein Vater dachte auch, das wäre billiger.« Sie wirkte hart und unerbittlich. »Ich bin Serviererin geworden, weil das noch einigermaßen was brachte, wenn du gut drauf warst und richtig gearbeitet hast. Das mit meinem Vater konnte ich erst erledigen, als Tom auftauchte, ich meine Jonny. Der hat meinem Vater gesagt, er soll mich in Ruhe lassen. Aber er ließ mich nicht in Ruhe. Da hat Tom wen geschickt, und der hat meinen Vater auflaufen lassen. Hinterm Haus, wo die Autos stehen. Es sah später so aus, als ob mein Vater unter das Auto gekommen ist. Er hatte jedenfalls beide Beine gebrochen. Und nie mehr hat er mich angerührt, nie mehr. Dann hat Jonny, also Tom, mir die Bude gekauft und eingerichtet.«
»Aber da lief die Sache mit dem General schon?«
»Darüber kann ich nicht reden, Siggi. Wenn ich es erzähle, kann ich nie wieder zurück. Wenn ich den Mund aufmache, bin ich tot. Die kriegen mich doch überall. Das geht nicht, Siggi, wirklich nicht. Die Leute sind von der CIA, nicht von irgendeinem Männergesangverein.«
»Schon gut, schon gut«, nickte ich. »Du warst auch so schon mutig genug. Ich werde es auch ohne dich herausfinden.«
Der Dompfaff und seine Frau ruhten sich in dem Efeudickicht aus, das die ganze Mauer wie ein warmer Mantel umhüllte.
»Wir werden ein Gewitter kriegen«, sagte ich. »Sieh mal, die Spatzen und Buchfinken, Sperlinge, Schwalben und Amseln und weiß der Henker was noch alles sammeln sich da auf dem Kirchdach. Sie fliegen in die Schalllöcher vom Turm, wenn es losgeht. Wenn es blitzt und donnert und der Regen fällt, hocken sie da und halten ein Schwätzchen, starren hinaus und warten drauf, daß es aufhört. Denn nach dem Regen kommen die Insekten. Verstehst du?«
»Echt?« Sie starrte mich an und fing an zu lächeln. »Ach, so ist das?«
»So ist das. So ist das schon eine ganze Weile.«
»Wenn du dein Brot parterre verdienst, dann weißte so was nicht.«
»Irgendwann hörst du damit auf. Weil es langweilig wird.«
»Glaubst du, daß deine Dinah wiederkommen wird? Also, ich würde wiederkommen.«
»Ich weiß es nicht. Ich bin sehr unsicher.«
»Heiratest du sie?«
»Na klar, wenn sie es will.«
»Und wenn sie es will und nicht sagt?«
»Dann sage ich es.«
»Das ist gut.« Sie steckte sich einen Grashalm in den Mund. »Das mit dem General war eine richtige Sauerei. Jonny hat gesagt, sie wollten eigentlich eine Professionelle einsetzen, also eine Agentin, aber irgend jemand hat ihm erzählt, ich hätte schon mal was für den BND erledigt. Kleine Sache, nichts Besonderes, behaupteten sie damals. Aber es war eine Sauerei, es war die erste Sauerei. Ich habe einen Japaner verbrannt, Siggi. Du weißt nicht, was das ist. Mir haben sie gesagt, der Japaner sei ein Geheimer und sie könnten ihn nicht überführen. Deshalb sollte ich den ins Bett kriegen. Sie fotografierten und filmten. Dann las ich in der Zeitung, daß ein Mitglied des japanischen diplomatischen Corps sich das Leben genommen hätte und daß die Polizei auf geistige Verwirrung tippte. Du weißt schon. Na ja, das war mein Japaner. Und er war gar kein Geheimer. Er war ein Vater von vier Kindern und ziemlich glücklich mit seiner Frau. Aber er war im Weg, er war ein Spezialist für irgendeine Wirtschaftssache, Autos, glaube ich. Na ja, jedenfalls erschien wenig später Jonny, also Tom Becker. Ich mußte auf einen Lehrgang nach Irland. Vierzehn Tage. Sie brachten mir bei, wie ich mich ranmache, was ich sagen muß, wie ich Berichte
Weitere Kostenlose Bücher