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Eifel-Feuer

Eifel-Feuer

Titel: Eifel-Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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ist, wird er überall auftauchen, nur nicht hier.« Er stieß den Schraubenzieher in Höhe des Schlosses in den Spalt und drückte die Tür auf. »Schnell rein, und Tür zu.«
    Es stank bestialisch.
    »Die nächste Schweinerei!« fluchte Rodenstock dumpf.
    Ich hielt mich an der Wand fest und hörte, wie er nach dem Lichtschalter tastete. Er setzte hinzu: »Verwesung«, dann ging das Licht an. Der kleine, schmale Flur wurde von einer trüben Funzel erhellt. Es gab nichts als eine dunkelbraune Garderobe mit integriertem Spiegel und einem Schuhschränkchen. Vier Türen gingen von dem Flur in die angrenzenden Räume. Sie standen alle offen.
    »Bleib hier stehen«, murmelte Rodenstock. »Ich gehe die Leiche suchen.« Er ging durch die nächste Tür, deren Füllung aus Milchglas war. Als das Licht aufleuchtete, sah ich, daß es die Küche sein mußte.
    Dann hörte ich Rodenstock lachen. Er rief erheitert: »Richtige Junggesellenbude. Komm her, und sieh es dir an.«
    Ich hatte immer noch Furcht, mich übergeben zu müssen. Auf dem Küchentisch lag in wächsernem Papier ein geradezu furchterregender Haufen Maden. Sie waren sicherlich vier bis fünf Zentimeter lang.
    »Er hat Gehacktes gekauft und es vergessen. Ich schmeiß das in den Lokus. Du siehst aus wie eine Wasserleiche.«
    »So fühle ich mich auch.« Ich wartete mit abgewandtem Gesicht, bis er den ekelhaften Fund in die Toilette transportiert hatte. »Was hoffst du eigentlich, hier zu finden?«
    »Das weiß ich nicht, ich gebe mich keiner Phantasie hin. Wir wissen von der Ex-Frau, daß er ein Waffennarr ist. Also werden wir vielleicht Waffen finden. Und vielleicht auch Dollars.«
    »Wieso Geld?«
    Er lächelte matt. »Ich nehme an, Cottbus ist Bruder und hat Herterich in die Luft gejagt. Das wird er nicht umsonst getan haben, oder?«
    »Sehr unwahrscheinlich«, stimmte ich zu. »Nach was habe ich noch Ausschau zu halten?«
    »Nach jeder Form von Dokumenten. Rechnungen, Quittungen, Briefe, persönliche Unterlagen. Ich fange mit der Küche an, du nimmst das Bad.«
    Das Bad war dreckig, mit Sicherheit seit Monaten nicht geputzt worden. Die Toilettenartikel des Cottbus stammten ausnahmslos aus Läden wie Aldi, Toilettenpapier fehlte, die Seife war ausgetrocknet und gerissen.
    »Er muß wie ein Penner gelebt haben«, rief ich.
    »Das kannst du sagen«, bestätigte Rodenstock. »Und er hat gesoffen wie verrückt. Vor allem Schnaps, Wacholder. Er hat viel im Penny-Markt gekauft. Sonst etwas Auffallendes?«
    »Nichts«, sagte ich. »Hast du eine Ahnung, was so ein Mann in seinem Alter verdient?«
    »Er müßte mindestens um die fünf netto haben.« »Aber was hat er dann mit seinem Geld gemacht?« »Irgendwann werden wir es wissen«, sagte er. »In der Küche findet sich nichts. Gehen wir das Wohnzimmer gemeinsam an.«
    Das Wohnzimmer wurde von einer Sitzgarnitur beherrscht, die einstmals bunt und fröhlich gewesen sein mußte, jetzt nur noch braun-verwaschen und schmutzig war. Dazu gesellte sich ein kleines Bücherregal, ein Schreibtisch mit einem Stuhl davor. Kein Teppich, an der Decke eine mindestens zwanzig Jahre alte Lampe, besetzt mit 25-Watt-Birnen.
    »Es sieht so aus, als sei das nur ein Schlafplatz gewesen«, sagte Rodenstock. »Vielleicht hatte er ja eine Freundin irgendwo in der Stadt.«
    »Was mir hier auffällt, ist, daß er kein Telefon hatte.« »Komisch«, nickte Rodenstock. »Aber vielleicht benutzte er nur Handies.« Er sah sich aufmerksam um, bewegte sich aber nicht. »Von der vielbeschworenen Blutsbrüderschaft unter den Staatsdienern des Amtes wirst du hier nichts erleben. Der Mann konnte noch nicht einmal einen Kollegen mit hierher nehmen. Ich gehe jede Wette ein, daß er ein ausgesprochener Einzelgänger ist, eigenbrötlerisch, schweigsam, scheinbar desinteressiert. Er hat keine Freunde, hat nicht einmal gute Bekannte, er lebt in einem Nichts menschlicher Beziehungen. Das Problem liegt wahrscheinlich in seiner Kindheit. Entweder ist er viel bestraft und verprügelt worden, oder er hatte Eltern, die ihm wortlos klarmachten, daß sie an ihm nicht im geringsten interessiert waren. Die Ehe war für ihn wahrscheinlich ein Martyrium, weil er überhaupt nicht begreifen kann, warum er auf einen anderen Menschen Rücksicht nehmen soll. Wahrscheinlich hat er niemals in diesem Zimmer gehockt und ein Buch gelesen.« Rodenstock machte ein paar Schritte zu dem kleinen Schreibtisch hin und versuchte, die beiden kleinen Schranktüren rechts und links zu öffnen.

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