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Eifel-Feuer

Eifel-Feuer

Titel: Eifel-Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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Deshalb habe ich mir das erklären lassen. Eines Tages fing er dann an, mir ein Gutachten zu diktieren. Da stand drin, daß die Russen, meinetwegen in Dresden, tatsächlich zweitausend Panzer hätten, daß aber von diesen zweitausend Panzern weniger als die Hälfte überhaupt startbereit wären. Mit anderen Worten: Die meisten Panzer waren Schrotthaufen. Das Gutachten war siebzig oder achtzig Seiten stark. Und ich gab es Seepferdchen, und sie schrieb es ab. Otmar schickte es an alle möglichen Stellen: Verteidigungsministerium, Bundeskanzler, Bundeskanzleramt, Bundespräsident, Fraktionen und so weiter. Und dann war die Hölle los. Das Schriftstück wurde eingezogen und für geheim erklärt, und alle, die es besäßen, mußten es sofort wieder rausrücken. Otmar hat nie mehr darüber gesprochen. So ein General war er.«
    »Querdenker?«
    »Oh ja, sehr quer.«
    Ich bog rechts zum Kloster Niederehe ein und hielt dann bei Markus Schröder. »Du kannst auch Forelle essen oder ein Steak oder einen Speckpfannekuchen.«
    »Jetzt habe ich mich geistig auf Hering eingestellt, jetzt will ich auch Hering. Sag mal, kennst du hier einen Zahnarzt? Ich muß etwas für mein Aussehen tun. Ich sehe aus wie Pippi Langstrumpf.«
    »Ich werde dich anmelden, du kannst das morgen früh erledigen.«
    »Dann noch etwas, Baumeister. Ich ... ich ...«
    »Ich zahle alles«, sagte ich schnell. »Du bist mein Gast.«
    »Das ist lieb. Aber ich hätte gern etwas Geld.«
    »Wieviel?«
    »Ein paar Hunderter?«
    Ich dachte an Heike Schmitz, die gesagt hatte, irgend etwas stimme mit dieser Frau nicht. Vielleicht war es das. »Geht klar, kein Problem.«
    »Ich lasse mir morgen per Fax Geld anweisen, du brauchst keine Angst zu haben.«
    »Ich habe niemals Angst«, sagte ich.
    Vorne im Thekenraum war kein Platz mehr, weil die Freiwillige Feuerwehr dort tagte und höchstvergnügt der Aufgabe frönte, möglich schnell möglichst viel Bier zu konsumieren. Einer der fröhlichen Zecher versuchte in höchster Tonlage »Schenkt man sich Rosen in Tirooooohl...« zu schmettern, und der Rest der Mannschaft hielt sich unter Lachen die Ohren zu.
    Wir hockten uns in den großen Restaurantraum und kamen mit Markus überein, zuerst eine Markklößchensuppe zu schlürfen, um dann die Heringe mit Bratkartoffeln in Angriff zu nehmen.
    »Was wird deine Frau sagen, wenn du mich anschleifst?«
    »Nichts«, beschied ich sie. »Sie ist heute morgen für ein paar Tage zu ihren Eltern gefahren. Aber sie darf wissen, daß du mein Gast bist. Wie lange war denn der General Teil deines Lebens?«
    »Verdammt lange«, sagte sie. »Soll ich davon erzählen? Das wirst du wissen wollen.«
    »Richtig, das will ich wissen.«
    »Der General war der Mann, der als erster so ein bißchen gerade Linie in mein chaotisches Leben brachte. Mein Leben war bis dahin eigentlich eine Folge von Katastrophen. Dazu mußt du wissen, daß mein Vater ein evangelischer Pfarrer in Berlin war, er war mein Halleluja-Mann, ich habe ihn anfangs vergöttert. 1960 bin ich geboren worden, und zu diesem Zeitpunkt war die Ehe meiner Eltern längst kaputt, denn meine Mutter hatte sich irgendwann entschlossen, nicht so fromm zu leben wie mein Halleluja-Mann. Sie stammte zwar auch aus einem Pfarrhaus, hatte aber entdeckt, daß es außer dem lieben Gott durchaus noch andere Dinge gab. Mein Vater lebte unentwegt mit himmlischen Heerscharen, jubilierenden Engeln und der gewaltigen Streitmacht Gottes. Genauso predigte er, und er war bei den Damen sehr beliebt. Die Ehe muß jedenfalls furchtbar gewesen sein, Mami trainierte mich regelrecht auf das Zitronenwort. Wenn wir beide rumalberten, pflegte sie zu sagen: Kind! Beißen wir schnell in eine Zitrone, damit Papi nicht merkt, wie gut wir gelaunt sind. Sie hatten sich irgendwie auseinanderentwickelt. Papi wurde immer himmlischer, und Mami entdeckte immer mehr weltliche Genüsse, zum Beispiel den eigenen Körper, zum Beispiel den Hochgenuß eines Orgasmus, was weiß ich. Papi bekam dann Krebs am Magen und am Darm. Er starb einen elenden, entsetzlich langen Tod. Ich war gerade zwanzig, hatte mein Abitur in der Tasche ...«
    »Entschuldige, wenn ich dich unterbreche. Aber du erzählst deine Geschichte, nicht die des Generals.«
    Sie lächelte und nickte. »Der kommt gleich, der kommt gleich. Ich war also in jeder Beziehung eine Jungfrau und guckte ziemlich entsetzt zu, wie Mami mit einer Wahnsinnsgeschwindigkeit ein ganzes Bataillon von Liebhabern verschliß, die allesamt fünfzehn

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