Eifel-Feuer
hat?«
»Natürlich«, sagte sie. »Sein Adjutant. Jeder General hat so was. Aber den kenne ich, der ist so was von perfekt, daß er den Vornamen seines Chefs für geheim erklären würde.«
»Und wer noch?«
»Dann ist da noch Seepferdchen. Das ist seine alte Sekretärin. Die hatte er schon in Washington und vorher in München, und die müßte jetzt in Brüssel sitzen. Nein, halt, er hat mir heute morgen erzählt, sie sei nach Berlin gefahren. Sie hat da ein Haus und mußte sich mal drum kümmern.«
»Hast du ihre Telefonnummer?«
»Habe ich.«
»Könntest du vielleicht genau versuchen, zu rekonstruieren, was heute morgen zwischen euch alles besprochen wurde. Jede Kleinigkeit, bitte.«
»Ich versuche es. Also, wir sagten erst mal hallo und so, und wir fragten einander, wie es uns so geht. Er antwortete ganz fröhlich, es gehe ihm sehr gut. Er wirkte richtig aufgeräumt. Wenn er in diesem Holzhaus war, ging es ihm immer ausgezeichnet. Dann fragte er mich, wie es mir gehe, und ich sagte, so lala. Ich fragte, was er grad mache, und er sagte, er hätte Buchenholz gespalten, würde das bis mittags fortsetzen. Ich erkundigte mich dann, ob er Urlaub macht, und er sagte nein. Er wolle sich nur ein paar Tage einem beruflichen Problem widmen, und dabei könnte er den Bienenstock der NATO in Brüssel nicht ertragen, und – ach ja – er sagte auch, er hätte morgen den wichtigsten Termin des Jahres ...«
»Sagte er, wo?«
»Nein. Aber es kann ja nur in der Eifel gewesen sein, denn er sagte, ich solle doch vorbeikommen, es würde ihm Freude machen, mit mir zu klönen.«
»Also, du hast auch nicht gefragt?«
»Doch, doch, habe ich schon. Ich fragte, was denn das sei: der Termin des Jahres? Er sagte, er könne mir das leider nicht erzählen. Ich nehme mal an, es fällt unter Geheimhaltung.«
»Gut. Also er hatte morgen den wichtigsten Termin des Jahres. Morgens oder nachmittags? Ein Besucher? Mehrere? Eine ganze Gruppe? Ausländer? Deutsche? Aus Brüssel? Aus Bonn?«
»Mein Gott, Baumeister. Das weiß ich nicht, ich habe nicht weiter gefragt. Aber er war ganz ohne Zweifel sehr gut drauf. Er meinte sogar, er würde Schampus kaltstellen, damit wir nicht verdursten.«
»Ist er mit seinem Porsche in die Eifel gefahren?«
»Nein. Er ist von einem Fahrer hingebracht worden, und ein zweiter Fahrer hat den Porsche gefahren. Nicht daß du jetzt denkst, der General hätte in Saus und Braus gelebt. Er hatte soviel zu tun, daß er solche Strecken dazu benutzte, Akten aufzuarbeiten und auf Tonbänder zu diktieren. Deshalb.«
»Zusammengefaßt: Nichts deutete auf etwas Außerordentliches hin?«
»Richtig. Gar nichts. Dazu mußt du noch wissen: Wenn es ihm mies ging, erzählte er es mir.«
»Also scheint es ausgeschlossen, daß er irgendwelche Vorahnungen hatte?«
»Meiner Meinung nach, ja.« Sie schluchzte ein paarmal. »Er hätte doch nichts anderes tun müssen, als sich dreißig, vierzig Meter vom Haus zu entfernen und hinter einen dicken Baum zu stellen. Niemand hätte ihn gefunden, oder?«
»Das ist richtig«, gab ich zu.
Ich rauschte an der Abbiegung zum Nohner Wasserfall vorbei, und mein Tacho zitterte schon wieder um die 160. Ich bremste den Wagen ab und ging in die ekelhafte Links-rechts-Kombination unten am Bach. »Wo hatte er denn Gegner?«
»Am meisten wohl in der Bundeswehr. Er machte schon damals diese Hochrüstung nicht mit, er hat ja das Gutachten angefertigt, das ihm beinahe irgendeine Sache wegen Landesverrat eingebracht hätte.«
»Wie bitte?«
»Weißt du nichts davon?«
»Keine Ahnung«, sagte ich. »Erzähl mal.«
»Ich weiß nicht, ob ich das noch zusammenkriege. Damals in Washington hat er mir das erklärt. Also, da gibt es doch immer die Lage beim Kanzler. Das ist die Konferenz, wo die wichtigsten Sachen besprochen werden. Daran nimmt auch immer der Bundesnachrichtendienst teil und gibt seine Erkenntnisse weiter. Als der Ostblock noch bestand, kriegte der BND beispielsweise heraus, daß die DDR in Dresden zweitausend Panzer stationiert hatte. Ich erzähle jetzt ein Beispiel ohne Rücksicht darauf, wie das wirklich war. Also: Wenn die DDR im Raum Dresden zweitausend Panzer hatte, mußte die Bundeswehr im entsprechenden Grenzbereich auch zweitausend Panzer haben. Sie hatte aber nur tausend. Also mußten schnell tausend Panzer gekauft werden, damit wir auch zweitausend hatten. So lief das, das war echt verrückt. Otmar fluchte immer, wenn er so etwas hörte, und ich wußte nie, was er meinte.
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