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Eifel-Feuer

Eifel-Feuer

Titel: Eifel-Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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hätte man denen gesagt?«
    »Nichts. Nur das mit dem tragischen Unfall. Wozu hätte man so eine schrecklich fade Schwulengeschichte breittreten sollen.«
    »Das ist doch widerlich«, murmelte ich.
    »Das Leben ist eben manchmal widerlich«, erwiderte sie leise.
    »Tauschen wir also aus«, sagte ich. »Sie müssen wissen, daß der General heute einen Termin mit einem Redakteur des Spiegel hatte. Für den General war das der wichtigste Termin des Jahres. Er wollte dem Redakteur eine Geschichte erzählen, aber die Redaktion weiß nicht, welche Geschichte mit welchem Thema. Wenn Sie also auf ein Gerücht stoßen, das den General betrifft, dann denken Sie bitte sofort an mich.«
    »Mache ich.« Dann zögerte Heike Schmitz etwas. »Ich denke, Sie sind ein einigermaßen kluger Mensch. Dann werden Sie sich vorstellen können, daß man Sie sucht, oder? Und jetzt ist mir auch klar, weshalb man Sie so dringend haben will – und Germaine Suchmann übrigens auch. Die Geheimdienste müssen etwas haben läuten hören. Der dicke Meier ist nämlich der festen Ansicht, daß Sie der Journalist sind, den der General erwartete und daß Sie genau wissen, was Ihnen der General erzählen wollte. Also passen Sie auf und bewegen Sie sich wie die Eichhörnchen. Geben Sie mir die Nummer von Ihrem Handy. Aber denken Sie dran, daß dieses Handy todsicher unter Kontrolle steht, wenn die erst einmal herausgefunden haben, daß Sie eines besitzen. Wenn ich Sie wäre, würde ich das Ding nicht mehr benutzen. Nein, geben Sie mir die Nummer nicht. Schmeißen Sie es weg, Baumeister, schmeißen Sie es sofort weg! Und lassen Sie mal etwas von sich hören.«
    »Das mache ich«, versprach ich ihr. »Und vielen Dank!«
    Ich ging aus dem Gebäude und querte den alten Hubschrauberlandeplatz. Gleich dahinter befand sich der Rest eines altdeutschen Zauns, einfach aus jungen Stämmen geformt. Hier fiel der dichte Eichenwald steil nach unten ab, ich stand dort wie auf einem überdimensionalen Balkon. Ich warf das Handy, so weit ich konnte, in die Baumkronen. Heike Schmitz hatte recht: Wer immer von dieser segensreichen Kommunikationseinrichtung erfuhr, würde versuchen, sie abzuhören. Und die dauernden Versicherungen der Hersteller, daß Handies eben nicht abgehört werden könnten, halte ich nach wie vor für ein bloßes Gerücht.
    Ich schlenderte zurück in Carlos Domizil, weil es sein konnte, daß die Fahnder etwas übersehen hatten, obwohl ich wußte, daß die Fachleute der Geheimdienste in der Regel gründlich arbeiteten.
    Carlo hatte zunächst einfach Rauhfasertapeten auf die Wände geklebt und dann diese Tapete als Unterlage für farbige Bilder benutzt, die zum Teil gesprayt und zum Teil mit dem Pinsel gemalt waren. Es war beeindruckend, hochkünstlerisch, diese Wände strotzten von vielen Botschaften, und ich konnte sie nicht lesen, denn ich hatte keine Ahnung von Carlos Leben. Aber eines war unzweideutig: Er hatte die Blumen, die in diesem alten Munitionsdepot wuchsen, in seine Bilder eingebracht. Waldweidenröschen, Wegwarten, Malven bis hin zu wilden Rosen – Carlo hatte die Pracht mit schier unglaublicher Genauigkeit in Linienführung und Farbe festgehalten und sich trotzdem die Freiheit genommen, die Farben verfließen zu lassen. Das Rot der Waldweidenröschen wanderte bis zu einem Lichtblau, und das Blau der Wegwarte reduzierte sich in einem Sonnenstrahl auf ein Jadegrün. Die Kombination von Genauigkeit und Verfremdung faszinierte mich. Wenn es stimmte, daß dieser Sohn eines Metzgers ganze zwanzig Jahre alt geworden war, dann hatte der Metzger so etwas wie ein Genie gezeugt, und die Götter hatten es sehr früh zu sich genommen. Hatte dieses Genie geahnt, daß es so bald sterben würde?
    Ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, daß diese Wände eine Botschaft enthielten. Es war so, als habe Carlo in Form eines Comics eine Geschichte erzählt, von der ich keine Ahnung hatte. Hatten die Fahnder das etwa übersehen? Hatten sie nicht auf die Wände geachtet, weil sie ohnehin unter Zeitdruck standen und nichts Besonderes an den Wänden zu finden glaubten? Aber es war etwas Besonderes, denn offensichtlich wollte der Maler, daß der Betrachter diese Geschichte begriff.
    Es fing links, gleich neben der Tür, mit der Darstellung eines Mannes an, der ein Beil schwingt. Er schwingt es gegen den Kopf eines kleineren Mannes, dann kam ein harter, senkrechter dicker feuerwehrroter Strich. Es folgte merkwürdigerweise die Darstellung eines weiblichen

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