Eifel-Feuer
Würfel, phantasielos und fadenscheinig.
Im ersten Haus hockte eine große Runde um einen Tisch mit vielen Windlichtern. Sie machten erheblichen Krach und waren sehr ausgelassen. In den folgenden Häusern, es waren acht auf jeder Seite, war offensichtlich niemand, weder im Garten noch in den Häusern. Nirgendwo brannte Licht.
»Das ist aber komisch«, murmelte Germaine und steuerte das letzte Haus auf der linken Seite an.
»Das ist komisch«, nickte ich.
Wir liefen durch einen kleinen Vorgarten, der gänzlich mit einem Bodendecker überwuchert war.
»Er mochte nicht mal den Garten«, erklärte Germaine knapp. Sie schloß die Haustür auf.
Gleich rechts ging es in einen großen Wohnraum.
»Wie gehabt«, sagte ich und starrte auf die Verwüstung. »Nimm den Fotoapparat und fotografier das Ganze. Bitte, jeden Raum.«
»Mache ich doch«, sagte sie. »Scheiße, Scheiße! Die gottverdammten Männerspiele.«
Sie hatte recht, und ich sagte nichts.
Die Schnüffler hatten hier noch gründlicher gearbeitet als im Jagdhaus in der Eifel. Und offensichtlich waren sie auch gezwungen gewesen, leiser zu arbeiten. Sie hatten die Buchregale nicht einfach umgekippt, sondern umgelegt. Der Wasserkasten der Toilette im Bad war nicht einfach von der Wand gerissen, sondern abgeschraubt. Im Wohnraum unten und in zwei Zimmern oben hatten sie sogar an einigen Punkten das Parkett im Fußboden aufgebrochen.
»Die sind doch krank«, sagte Germaine von irgendwoher zornig. Das Blitzlicht der Kamera zuckte über die Wände. »Findest du es nicht komisch, Baumeister, daß in den Häusern nebenan und gegenüber kein Mensch ist?«
»Die Leute machen Urlaub«, sagte ich.
»Aber es sind doch gar keine Schulferien.«
»Vielleicht leben hier nur Singles. Bei denen geht Urlaub immer.«
»Nein, ich kenne hier drei Familien mit Kindern.«
»Vielleicht sind die Eis essen?«
»Du nimmst mich nicht ernst.«
»Doch, ich nehme dich sogar sehr ernst. Wo war das Arbeitszimmer vom General?«
»Wo bist du jetzt?«
»Oben links.«
»Dann geh nach oben rechts. Da arbeitete er. Da muß auch ein Schreibtisch stehen. Ein uralter sogar, ein wertvoller. Bauhaus Dresden 1920, oder so was.«
Ich sah den Schreibtisch. Er lag auf der Platte, und zwei Beine waren abgebrochen. Die beiden Schubfächer rechts und links waren herausgezogen und thronten leer auf einem Haufen Bücher. In einer Wandnische gab es sogar einen kleinen, eingemauerten Safe, dessen kleine Tür aufgebrochen war. Der Safe war leer.
»Hat er den Safe benutzt?«
»Nie«, kam Germaines Antwort von unten. »Er fand so etwas lächerlich. Aber das Ministerium bestand auf diesen Safe für den Fall, daß er geheime Akten zu Hause haben sollte.« Ich hörte, wie sie die Treppe hinaufstieg.
»Er hat immer gesagt, daß die Deutschen, was Geheimhaltung angeht, schlicht krank sind. Ich fotografiere das Ding mal.« Sie lichtete den Safe ab. »Wir suchen also eine Akte, die rund dreißig Seiten stark ist. Kann es nicht sein, daß er die Akte gelesen und dann einfach vernichtet hat, um niemanden, und sich selbst auch nicht, in Gefahr zu bringen?«
»Ja, natürlich«, bestätigte ich. »Aber trotzdem sind die Aufklärer wie verrückt hinter seinem Exemplar her. Und das kann bedeuten, daß es ein nicht numeriertes Exemplar ist. Das wiederum hieße, der General hatte Helfer. Irgendwo. Wahrscheinlich bei der Bundeswehr, wahrscheinlich in diesem Bundesamt für Fernmeldewesen.«
»Wieso numeriert? Das verstehe ich nicht.«
»Wenn etwas streng geheim ist, wird es nur denen gegeben, die es wissen müssen. Diese Kopien sind numeriert, so daß Verwechslungen nicht vorkommen können und kein Unbefugter darüber verfügen kann.«
»Aha.« Sie hockte sich auf einen Haufen Bücher und spielte mit einer ledernen Schreibtischunterlage herum. »Wir müssen herausfinden, wann Otmar zum letzten Mal bei der Bundeswehr in Daun war.«
»Richtig. Wir brauchen einen Kontakt dorthin. Da, unter dem Leder klebt ein Stück Papier. Was steht drauf?«
Sie nahm den DIN A4-Bogen und las: »Hier steht: ›Ewald Herterich, zur Zeit 64502 Saint-Jean-de-Luz, Frankreich, Biskaya. Rufnummer liefert er nach.‹«
»Und da steht einwandfrei Ewald Herterich?«
»Einwandfrei.«
»Hat er mal über diesen Ewald Herterich mit dir gesprochen?«
Sie schüttelte den Kopf. » Der Name ist mir neu.«
»Fotografiere sicherheitshalber den Zettel, und steck ihn dann ein. Ausgerechnet Herterich.«
»Wieso? Kennst du ihn?«
»Ja. Er war ein
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