Eifel-Feuer
er. Er sprach mit einem starken Akzent, konnte aber mühelos schwierige Sätze formulieren. Dann fragte er: »Was werden Sie daraus machen?«
»Das weiß ich nicht«, antwortete ich wahrheitsgemäß. »Das hängt von Redaktionen ab, nicht von mir.«
Wahrscheinlich sahen wir aus wie zwei Nachbarn, die sich zufällig auf dem Parkplatz getroffen hatten.
»Ich war beim dicken Meier zu Besuch, als Sie anriefen. Es war ziemlich beeindruckend. Sie haben sehr gut recherchiert. Haben Sie eigentlich eine Kopie dieser Akte?«
»Nein, noch nicht.«
»Sie werden also irgendwann eine bekommen?«
»Da bin ich sicher.« Es machte mich mißtrauisch, daß er so außerordentlich ruhig und gelassen blieb, die Stimme nicht erhob, nicht drohte, nicht anklagte.
»Werden Sie mir ein Exemplar geben, wenn Sie eines haben?«
»Sicher nicht«, sagte ich. »Für Sie müßte es ein leichtes sein, eine Kopie zu bekommen. Und bestimmt wissen Sie längst, was auf den dreißig Seiten steht, oder?«
Er musterte mich. »Der General war ein Idiot!« sagte er etwas heftiger. »Er war einer der Männer, die massiv unsere Arbeit behindern, weil sie ständig demonstrieren müssen, leibhaftige Demokraten zu sein. Sagen Sie mal, Herr Baumeister, bereitet es Ihnen eigentlich Vergnügen, Ihrem Staat ans Bein zu pinkeln und ihn in Schwierigkeiten zu bringen?«
»Der Staat ist auch nicht besser als mein Onkel Egon«, entgegnete ich. »Manchmal muß man ihm auf die Finger sehen. Und dieser deutsche Staat leidet unter der Tatsache, daß die Opposition nicht funktioniert. Also ist meine Branche die Opposition. Nein, es bereitet kein Vergnügen, aber es gehört zu unseren Aufgaben. Können Sie mir einen ernsthaften Grund nennen, weshalb man erst in zwei Häusern des Generals eine Akte sucht und nicht findet und dabei die Häuser buchstäblich zerschlägt, um sie in der zweiten Nacht einfach in die Luft zu blasen?«
Der Schönling lächelte schmal. »Wenn die Sicherheitslage der Bundesrepublik ein solches Vorgehen erfordert, dann müssen verantwortungsvolle Bürger das einfach akzeptieren.«
»Das ist doch wohl die Höhe!« empörte ich mich. »Wir sind sowieso von allen Geheimdiensten seit Ende des Zweiten Weltkrieges systematisch beschissen worden. Nie wurde die Öffentlichkeit über das Treiben von euch Schlapphüten wirklich informiert. Ihr werdet niemals zu kontrollieren sein. Und wenn es euch einfällt, macht ihr Terroristen für alles verantwortlich.«
»Warum haben Sie dem Meier lauthals versprochen, nicht zu recherchieren? Warum haben Sie dann doch sofort losgelegt?«
»Weil niemand, wirklich niemand darüber bestimmt, ob ich recherchiere oder nicht. Das ist die Art von politischem Ungehorsam, die ich unbedingt verteidige.«
»Aber eine Menge Ihrer Kolleginnen und Kollegen nehmen doch Rücksicht auf die Sicherheitsbelange des Staates und recherchieren nicht«, sagte er sanft.
»Da haben Sie durchaus recht«, antwortete ich. »Das sind alle die, die dem Kanzleramt bis zum Anschlag in den Hintern kriechen. Leider bin ich nicht so geschmeidig.«
Er wiegte den Kopf hin und her, sehr bedächtig. »Ich mag Leute wie Sie nicht, Herr Baumeister.«
»Oh, damit kann ich prima leben«, strahlte ich. Er schien mir etwas geschrumpft zu sein.
»Sie sind, im Grunde genommen, dumm«, lächelte er zurück. »Und Sie scheinen über ein Gehirn zu verfügen, dessen Kapazität der eines Badeschwamms gleicht. Sie entdecken den ermordeten General. Sie erleben, daß Geheimdienste sich zusammenschließen, um die Sache zu untersuchen und aus der Welt zu schaffen. Sie schaffen es wirklich, so schnell zu recherchieren, daß der Fall nicht mehr geheimzuhalten sein wird. Sie schaffen es sogar, dem dicken Meier Feuer unter seinen feisten Arsch zu legen. Aber Sie übersehen dabei, daß Meier eben nur ein Geheimdienst ist. Einer von vielen. Wissen Sie, Meier kann brav spielen und sich nicht mehr rühren. Aber daß Sie dann glauben, die Sache zu beherrschen, halte ich für ausgesprochen dümmlich.«
Ich starrte ihn an, ich glaubte plötzlich zu wissen, was ihn trieb. »Sie sind eifersüchtig, nicht wahr? Sie sind richtig sauer, daß ich mich auf Meier konzentriert habe und Sie vollkommen außer acht ließ. Ist das so?«
»Ach Gott, Baumeister, so wichtig sind Sie nun wieder auch nicht für mich. Ich hatte nur gedacht, Sie seien wesentlich cleverer. Aber vielleicht hat Ihr Privatleben Sie etwas arg durchgeschüttelt. Ihr Freund und Helfer Rodenstock in der Klinik in Trier,
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