Eifel-Feuer
»Hat es sich wenigstens gelohnt?«
»Das weiß ich nicht. Aber Jonny sagte zu Carlo: Noch so eine Akte, und du kriegst ein Bundesverdienstkreuz! Das hat er wirklich so gemeint.«
»Du hast demnach Carlo richtig heiß gemacht auf den General?«
Marion Kupisch kaute und sah auf die Tischplatte. »Ja, habe ich. Das war ja einfach. Du weißt ja selbst, wie naiv er war.«
»Weiß Gott!« hauchte ich und schaute zur Decke hoch.
»Jetzt tut es mir leid. Na gut, Carlo hatte diesen ... diesen furchtbaren Unfall. Irgendwie kam alles zusammen. Der General wurde erschossen, Carlo knallte gegen einen Felsen und brach ... brach ... Ach, Scheiße, es ist irgendwie alles scheiße gelaufen. Dabei wollten wir heiraten, und wir wären bestimmt glücklich geworden. Wir hätten die Metzgerei verpachtet, und alles wäre gutgegangen. Oh Mann, ist das eine Scheiße.« Sie weinte jetzt laut und hemmungslos.
Ich war wie erstarrt. Es war eine furchtbare, eine tragische Geschichte, aber nicht im Traum hätte ich daran gedacht, daß es auch eine aussichtslose Liebesgeschichte gewesen war. Jetzt stellte sich heraus, daß diese Frau knietief in der Geschichte steckte, daß sie Teil eines geradezu perversen Spiels war und daß sie nicht einmal wußte, daß man ihren Liebsten erschossen hatte. Man hatte ihr die Version fürs niedere Volk zugestanden: Tragischer Todesfall durch Schädelbruch. Ich mußte mich zusammenreißen, hatte Mühe, meine Gesichtszüge unter Kontrolle zu behalten. »Die Nachricht, daß Carlo auf so tragische Weise umgekommen ist, hast du also von Tom ... äh, Jonny bekommen?«
»Na ja, sicher.«
»Hat er gewußt, daß du Carlo liebst?«
»Das hatte ich ihm gesagt. Ich dachte, er wird mich von dem Auftrag abziehen, doch er meinte, das sei ganz okay so. Carlo könnte trotzdem weiter am General arbeiten und ich weiterhin trotzdem der Verbindungsmann sein. Er sagte immer: Liebe stört mich nicht.«
»Na gut, aber wie paßt Carlos Vater da rein? Verdammt noch mal, wieso weiß denn der was von einem Orden?«
»Mein Gott, dem mußten wir doch irgendwas sagen. Also teilte Jonny ihm mit, sein Sohn Carlo arbeite für den Staat. Geheimauftrag und so. Daraufhin war der Vater beruhigt und richtig stolz. Dann kamen wir auf die Idee, daß ich mit ihm bumse.«
»Moment mal. Mit Carlo, meinst du.«
»Nein, nicht mit Carlo. Mit dem Vater von Carlo. Eigentlich ist ja seine Mutter drauf gekommen.«
»Wie bitte?« fragte ich schrill und unternahm nicht einmal den Versuch, meine Stimme normal klingen zu lassen. »Da ist doch etwas faul. Du liebst Carlo, Carlo liebt dich. Dann schläfst du mit Carlos Vater? Gegen Bezahlung? Warum denn das? Das ist doch irre.«
»Irre schon«, sagte sie weise. »Aber alles war geplant, wirklich alles.«
ACHTES KAPITEL
Ich futterte heißhungrig die Brote, während Marion Kupisch mir gegenüber hockte und eine Szenerie beschrieb, wie man sie sich nur in französischen Komödien ausdenkt. Ich dachte beinahe ohne Unterbrechung: Wenn der General Otmar Ravenstein das alles gewußt hätte, wäre er in homerisches Gelächter ausgebrochen, er hätte sich wahrscheinlich zu Tode gelacht.
»Alles begann damit, daß ich Carlo im Wald traf. Er machte mich nicht an, oh nein, er hielt sich zurück. Malen wollte er mich. Im Malen war er einsame Klasse. Komm mal mit, ich zeige dir was.« Sie stand auf, und ich folgte ihr in ihr Schlafzimmer, einen einfach eingerichteten Raum mit einem einschläfrigen Bett. »Hier kommt kein Macker rein. Niemals. Außer Carlo natürlich.«
An der Wand befand sich ein Vorhang von etwa einem mal zwei Meter, scheinbar, um die Wand aufzulockern. Sie zog den Vorhang beiseite, und dahinter hing Carlos Bild. Er hatte sie vor Wald Weidenröschen gemalt, sehr viele Rosatöne und ein lichtes Blau verwandt, das sich von den Blüten der Pflanzen bis in ihr Gesicht zog. Impressionistisch mit sehr viel Gefühl, Schwingungslinien eines schönen Körpers. Er hatte ihre Augen hellwach dargestellt, ihr Mißtrauen gegenüber dieser Welt nicht ausgelassen.
»Das ist schön«, sagte ich. »Da kannst du wirklich stolz drauf sein.«
»Das bin ich auch«, nickte sie. »Es ist sein schönstes Bild von mir. Aber da haben wir schon miteinander gelebt, richtig wie Mann und Frau.«
»Ihr habt also doch angefangen, miteinander zu schlafen.«
»Na klar. Und es war richtig schön. Bis seine Mutter dahinterkam und eines Tages hier schellte. Das war vor anderthalb Jahren. Sie ist so eine stämmige, weißt du? Hat
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