Eifel-Filz
Eingeborenen.
Mittlerweile war es hoher Mittag, die Sonne stand stark über dem Land, in einem Schattenflecken unter der Birke lagen meine beiden Katzen und dösten vor sich hin, ein ganz matter Wind ließ die Blätter fliegen und übergoß den Baum mit Silber. Es war einen Moment so, als könne die Zeit stillstehen.
Annette kam mit dem kleinen Kevin vorbei und verkündete, ihr Walter feiere Geburtstag in der Schutzhütte und es gebe Spießbraten. Für einen Junggesellen ist das eine wunderbare Nachricht.
Kaum war sie verschwunden, brauste ein leibhaftiger Polizeistreifenwagen auf den Hof, und Rodenstock stieg aus, reckte die Arme gen Himmel und sagte: »Baumeister, ich brauche frische Luft.« Er sah überraschend gut aus, hatte zwar eine feuerrote Nase wie ein Warnzinken, aber seine Augen waren erstaunlich hell. Hinter ihm lud ein Uniformierter zwei Koffer aus und fragte: »Wohin damit?«
»Ich nehme sie«, sagte ich.
»Ich will nur schnell die Scheißkrawatte loswerden«, sagte Rodenstock heiter.
»Warum tragen Sie überhaupt eine?«
»Das weiß ich auch nicht«, meinte er. »Wo sind die Leichen?«
»Im Dauner Krankenhaus. Wir fahren gleich hin. Erst mal Kaffee und so?«
»Erst mal das. Die Toten rennen ja nicht weg. Was haben Sie für einen Eindruck?«
»Ein richtiges Liebesdrama«, gab ich Bescheid. »Mehr ist nicht erkennbar. Aber dieser Mord war ungeheuerlich perfekt.«
»Vielleicht aus Zufall?« fragte er.
»Kann sein«, nickte ich.
Paul kam harmlos um die Hausecke, nahm Anlauf und pflanzte sich an den rechten Oberschenkel meines Gastes.
»Nicht schlagen«, rief ich hastig.
Rodenstock verzog das Gesicht, sagte aber nichts. Er griff Paul behutsam, löste die nadelscharfen Krallen, hielt ihn im Genick hoch. »Du wirst noch lernen müssen, mein Junge«, sagte er. »Aber eigentlich hast du mir beigebracht, wie sich Leben anfühlt.«
»Ich fahre dann«, meldete sich der Uniformierte lahm. Als wir nickten, verschwand er mit Vollgas.
»Wissen Sie«, sagte Rodenstock, »ich wäre wahrscheinlich auch ohne die beiden Toten hier erschienen.«
»Die Gesundheit?« Ich wollte es hinter mich bringen, und er sollte nicht zappeln müssen.
»Erstaunlich«, grinste er. »Ich habe Krebs, aber der rührt sich nicht mehr. Operieren wollen sie nicht, sie sagen, das ist sinnlos, wenn keine Gefahr besteht. Es besteht keine Gefahr.«
»Herzlichen Glückwunsch. Jetzt gibt es Kaffee und so weiter.«
In der Küche plauderte Rodenstock eine Weile über sein Rentnerdasein, rauchte eine Brasil vom Format Kanonenrohr, trank Kognak und Kaffee und aß bittere schwarze Schokolade. Seit ich ihn kannte, hatte ich immer welche im Haus. So ist das, wenn man jemanden mag.
Wenig später zog er sich gemütlich an, wie er das nannte, und wir fuhren nach Daun. Im Krankenhaus Maria-Huf wurden wir erwartet. Ein junges Mädchen führte uns in den Keller, in einen sehr kalten Raum, in dem Ventilatoren liefen.
Wiedemann stand an einem Fensterschacht und rauchte nachdenklich einen seiner widerlichen Stumpen. Pierre Kinns und Heidelinde Kutscheras Leichen lagen nackt unter sehr grellen grünen Neonstreifen.
»Mensch, Knubbel!« sagte Rodenstock ganz gerührt, und sie umarmten sich.
»Hallo, mein Alter«, brummte Wiedemann etwas verlegen. »Sieh dir die Bescherung an.«
»Habt ihr Gummihandschuhe hier?« fragte Rodenstock.
»Sicher doch, in dem Karton da«, murmelte Wiedemann.
Rodenstock zog die Wolljacke aus, krempelte die Arme hoch und streifte die Gummihandschuhe über. »Welcher interessiert dich mehr?« fragte er.
»Die Frau«, erwiderte Wiedemann knapp. »Kopfdurchschuß. Links rein, rechts raus. Knochen sehr glatt durchschlagen.«
»War es mit Sicherheit Sperma?« erkundigte ich mich.
Er nickte. »Es war Kinns Sperma, sogar das ist glasklar.«
»Seid mal ruhig«, forderte Rodenstock. »Hast du eine Lupe oder ein Vergrößerungsglas?«
Wiedemann reichte ihm eines, das groß und klobig wirkte.
Rodenstock fragte: »Irgend etwas verändert?«
»Nichts«, sagte Wiedemann. »Keine Sonde eingeführt, keine Spiegelung gemacht. Wir wollten warten, bist du da bist.«
»Habt ihr am Tatort Profile gefunden?«
»Nicht die Spur. Wenn etwas dagewesen wäre, hätten wir es gefunden.«
»Also sehr perfekt«, nickte Rodenstock. Er betrachtete die Kopfwunde der Frau aus nächster Nähe, dann bat er unvermittelt: »Dreht sie mal um.«
Wahrscheinlich meinte er Wiedemann und mich. Ostentativ wollte ich sagen: »Das mache ich nicht.« Aber
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