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Eifel-Filz

Eifel-Filz

Titel: Eifel-Filz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaques Berndorf
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Boden. Ich wußte, daß ich wahrscheinlich nur diese eine lächerliche Chance hatte. Ich beugte mich sehr tief hinunter und drückte mich nach hinten ab. Zwischen Körper und Oberschenkeln traf ich ihn und warf ihn zurück. Aber ich hatte erhebliche Schwierigkeiten, mich aufzurichten, weil es höllisch schmerzte. Ehe ich stand, war er über mir und drückte mich nach hinten. Er war sicherlich anderthalb Köpfe größer als ich und entschieden stärker. Seine rechte Hand lag auf meiner linken Schulter, und seine linke Hand kroch an meinem Hals entlang. Ich spürte Panik, ich lag flach auf dem Rücken, und unter meiner rechten Hand hatte ich den kühlen Doppellauf der Flinte. Ich griff sie und stieß ihm das Metall mit aller Gewalt in die Seite. Er schnappte nach Luft, und ich sah, wie seine Augen vor Schmerz ganz weit wurden. Dann war er schlaff.
    Ich tauge nicht für Gewalt, ich tauge schon gar nicht für Gewalt gegen Kinder. Die Sekunden danach sind die Zeit der Scham, und sie sind bohrender als körperlicher Schmerz.
    »Tut mir leid«, sagte ich. »Scheiße!« Es wäre gut, sich auf den Waldboden zu legen und den Atem ruhig werden zu lassen. Es wäre gut, ihn zu bitten, ob wir vielleicht zusammen eine Zigarette rauchen könnten. Es wäre sehr gut, ihm sagen zu können: »Hör zu, du probierst das Leben aus, ich kann das verstehen.« Aber diese Welt funktioniert nicht so.
    Ich stieß ihn von mir herunter, nahm die Waffe und richtete sie auf seinen Kumpel, der leicht seitlich versetzt hinter Dinah Marcus stand. »Komm her, Sauhund«, sagte ich. »Ich schieße, wenn du dich nicht beeilst.« Es erschreckte mich, als ich begriff, daß ich wirklich schießen würde.
    »Ist ja nichts passiert«, stotterte er mit einer Kleinjungenstimme. Dann kam er langsam über die zehn Meter zu mir; er hatte Angst.
    »Im Werkzeugkasten ist ein Strick«, sagte ich. Das Hemd klebte auf der Schulter, und es schmerzte höllisch, als es durch die Bewegung losriß. »Ich brauche ein Pflaster.«
    »Ich hole alles«, sagte die Soziologin erstickt.
    Der Junge, der auf mich zukam, war vielleicht achtzehn oder neunzehn Jahre alt. Er war schmächtig, trug Springerstiefel und einen Bundeswehrpullover.
    »Setz dich auf den Boden«, befahl ich.
    »Das Gewehr funktioniert doch gar nicht mehr richtig«, sagte er heiser.
    »Das ist mir wurscht«, erklärte ich. »Was wolltet ihr hier?«
    »Na ja, gucken, was in dem Blockhaus ist.« Es klang unsicher.
    »Woher seid ihr?«
    »Aus Daun.«
    »Ihr seid also sechzig Kilometer gefahren, um nachzugucken, was hier drin ist. Mitsamt einer Schrotflinte.«
    »Ja, klar«, nickte er.
    »Erzähl das deiner Großmutter«, sagte die Marcus heftig. »Lassen Sie mal sehen, was da ist. – Die Haut ist gerissen, das sieht schlimm aus.«
    »Nicht wichtig. Wir werden den Strick zerschneiden und sie fesseln. Dann holen Sie die Bullen: Wiedemann muß her.«
    Wir fesselten ihnen die Hände auf den Rücken und packten sie nebeneinander auf den Boden. Der Bewußtlose begann sich zu rühren.
    »Fahren Sie zum nächsten Telefon«, sagte ich zur Marcus. »Aber erst mal ein Pflaster auf die Wunde.«
    »Das geht doch nicht. Sie müssen zum Arzt«, erwiderte sie ängstlich.
    »Später«, entschied ich. »Erst mal ein Pflaster.«
    Sie klebte mir ein Pflaster auf die Wunde und fragte sich dann laut, was geschehen würde, wenn ich aus irgendeinem Grund das Bewußtsein verlieren sollte. Als ich nicht darauf einging, fuhr sie lamentierend ab, nachdem sie den Polo der jungen Leute gedreht und seinen Scheinwerfer angestellt hatte. Es war ein Bild des Friedens: Der lädierte Baumeister und seine zwei gefesselten Hobbykriminellen.
    »Kommen jetzt die Bullen?« fragte der Schmächtige.
    »Und wie«, antwortete ich. »Wer hat euch geschickt?«
    »Niemand«, behauptete er. »Wenn du die Stricke losmachst, haue ich auch nicht ab.«
    »Was wolltet ihr denn wirklich?«
    »In diese Hütte«, sagte er. »Da soll ein Fernseher sein und ein Videorecorder und solche Sachen. Wir wollten das verscheuern.« Das klang verblüffend glaubwürdig.
    »Was ist mit deinem Kumpel? Kann er einen Auftraggeber haben?«
    »Nein, das hätte der doch gesagt. Er hat nur gesagt, kann sein, daß Leute auftauchen. Aber Leute können überall auftauchen.«
    »Wie heißt er denn?«
    »Manni heißt er. Aber wir nennen ihn Bulle. Er ist stark.«
    Der Bulle rührte sich, versuchte, sich an den Schädel zu fassen, was nicht gelang, und stöhnte dann. Er war übergangslos wach und

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