Eifel-Filz
fluchte: »Scheiße!«
»Wer hat dich geschickt?« fragte ich nun ihn.
»Niemand«, sagte auch er.
»Woher weißt du von dieser Hütte?«
»Hat jemand von erzählt. In der Stuw in Daun. Wir wollten nur gucken.«
»Er holt Bullen«, flüsterte der Schmächtige warnend.
»Von mir aus«, sagte der Bulle. »Wir haben schließlich nichts getan.«
»Du hast Bemerkungen gemacht. Du hast gesagt, ihr habt mich erwartet.«
»Nicht doch«, erwiderte er, und er lachte tatsächlich. »Klar, wir haben gedacht, jemand kann kommen, aber...«
»Du hast nicht an jemanden gedacht, sondern an mich«, sagte ich schnell.
»Ich weiß doch gar nicht, wer du bist! Ist mir auch scheißegal.«
»Du lügst«, brüllte ich.
»Warum soll er denn lügen?« fragte der Schmächtige schrill. »Wir haben hier nichts gemacht, wir sind ja nicht mal in die Hütte rein.« Er hatte recht.
Weil ich ein praktischer Mensch bin und dachte, daß Wiedemann eine Weile brauchen würde, um in diese tiefe Pampa zu gelangen, stand ich auf und marschierte um das Haus herum. Es war sehr still, der Himmel hatte sich bezogen, die Schwärze der Nacht war perfekt. Mit welcher Begründung konnte ich einbrechen? Etwa mit dem Verdacht, das Liebespaar habe ein paar Leichen in diesem Keller deponiert? Es gab keine vernünftige Begründung.
Als ich um die Ecke schlich, um zu meinen Gefangenen zurückzukehren, war die Nacht zu Ende. Der Schlag traf mich seitlich an den Kopf, und ich spürte nicht einmal, wie ich aufschlug. Ich schwamm durch ein sehr warmes Meer, und merkwürdigerweise brauchte ich nicht einmal aufzutauchen, um Luft zu bekommen. Es funktionierte einfach so, Baumeister war zu den Amphibien zurückgekehrt.
Dann explodierte irgend etwas, vermutlich ein Unterwasserfelsenriff oder dergleichen, ich spürte mich nicht mehr, taumelte endgültig im Bodenlosen. Ich erinnere mich undeutlich daran, daß ich ärgerlich war und mir sehnlichst wünschte, jemanden zu verprügeln, statt immer nur verprügelt zu werden.
Als ich aufwachte, lag ich auf etwas Weichem, jemand sagte: »Ganz ruhig, das haben wir bald.«
»Was haben wir bald?« fragte ich, aber vermutlich nahm man mich nicht ernst.
Die Soziologin bemerkte nicht ohne Hohn: »Also, wahrscheinlich hat er den Helden spielen wollen. Wahrscheinlich war er so lässig, daß die beiden bequem abziehen konnten.«
»Amateur«, sagte jemand voller Verachtung. Das war eindeutig Wiedemann.
»Habt ihr sie erwischt?« stammelte ich.
»Ja«, sagte Wiedemann. »Aber nur, weil ihr Auto streikte, nicht, weil Sie sie genagelt haben. Wie geht es?«
»Blendend.«
»Ihre Freundin hier hat dafür gesorgt, daß Sie Hilfe kriegen. Sie sollten ihr dankbar sein. Sie wollten hier einbrechen, nicht wahr?«
»Nicht doch«, meinte ich. Das rechte Auge konnte ich jetzt öffnen. Ich lag eindeutig in einem Ambulanzwagen, und es war angenehm warm.
»Sie haben ein ziemliches Schädeltrauma«, sagte jemand freundlich. »Was hat Sie denn getroffen?«
»Der Kolben einer Schrotflinte. Kann das sein?«
»Das kann sein«, antwortete er. Der Arzt hatte ein breites Vollmondgesicht. Er war der Typ, der ständig die ganze Welt umarmt, um darauf aufmerksam zu machen, wie liebevoll er zu den Menschen ist. »Ich habe Ihnen einen Verband gemacht und die Sache an der Schulter genäht. Sie müssen geröntgt werden.«
»Was ist denn in der Hütte?« fragte ich.
Wiedemann rauchte einen seiner schwarzen Stumpen, es nahm uns den Atem, der Arzt hüstelte abwehrend. »Eigentlich nichts. Es ist eben ein Liebesnest mit allem Drum und Dran. Zehn Hektoliter Körperlotion namens Moschus, ziemlich viel Sekt, zwei, drei Dosen Kaviar, ein paar Büchsen Cola, eine Riesenflasche Parfüm namens Moments, ein paar Liebesfilme auf Video und lauter solche Sachen.«
»Ich denke, wir müssen fahren«, mahnte der Arzt.
»Ich gehe zu Rodenstock und berichte«, erklärte die Soziologin kühl. Ihr Held war ich vermutlich nicht mehr.
»Bis später«, meinte ich. »Oder bleibe ich in der Klinik?«
»Ich denke, nein«, sagte der Arzt. »Wenn Sie versprechen, vernünftig zu sein.«
»Von der Sorte Versprechungen können Sie jede Menge haben«, versicherte ich. Ich war sehr müde, weil der Arzt vermutlich etwas Beruhigendes gespritzt hatte.
Ich wurde erst wieder wach, als sie mich schaukelnd einen hell erleuchteten Gang entlang trugen und einer der Sanitäter vorwurfsvoll klagte: »Und die Würstchen waren schon wieder nicht richtig heiß!«
Der andere schnaubte empört:
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