Eifel-Filz
schillerte blau und grün.
»Es geht mich ja nichts an«, sagte ich erschrocken. »Aber...«
»Nein, eigentlich nicht«, stimmte sie zu. »Ich lebe mit jemandem zusammen, klar. Ich will nicht mehr, auch klar. Ich will seit Wochen nicht mehr. Er trinkt ziemlich viel.«
»Und er liegt in deinem Bett.«
»Und er liegt in meinem Bett.« Sie schluchzte trocken auf.
»Soll ich ihn rausschmeißen?«
»Das geht nicht, das muß ich selbst machen. Ich bin ja schon groß.«
»Dann mach es jetzt. Jetzt ist er verschlafen und sieht mies aus.«
»Aber dann hat er kein Bett.«
»So ist das Leben.« Ich stand auf, und ich strich ihr, gegen meinen Willen, über das Haar.
Jemand hatte die Tür meines Schlafzimmers offenstehen lassen. Paul lag auf meinem Kopfkissen, Momo etwas unterhalb. Sie starrten mich verschlafen an, blinzelten und maunzten träge. Sie benahmen sich wie eine Ehefrau, die dem zu spät kommenden Mann sagt, nun sei es aber endlich Zeit. Ich versuchte also, mich so ins Bett zu packen, daß ich sie nicht allzusehr störte.
Als ich aufwachte, war der strahlende Herbst vergangen, es regnete in Strömen, und die Pflaumenbäume vor dem Schlafzimmerfenster bogen sich unter einem peitschenden Wind. Es klopfte, und Rodenstock erschien mit einem Topf Kaffee.
»Haben Sie so etwas wie in Aachen oft gemacht?« fragte ich. »Haben Sie oft angegriffen, wenn ein Angriff bevorstand?«
»Nicht oft«, schüttelte er den Kopf. »Vielleicht drei- oder viermal in meinem Leben. Aber die Jungens hätten uns verprügelt, das steht fest. Ich habe Wiedemann Bericht erstattet, wir treffen uns um vierzehn Uhr in einem kleinen Raum im Landratsamt, um mit Udler zu sprechen. Wir wollen ihm Aufsehen ersparen. Und Sie?«
»Ich war bei Flora Ellmann, bei der Landkreisgrünen Nummer Eins. Sehr aufschlußreicher Unterricht in Demokratie und Filz.« Ich erzählte ihm, was es zu erzählen gab.
»Das alles ist in jedem Landkreis so oder so ähnlich«, murmelte er. »Es gibt wirklich kein Motiv her. Ich habe auch mit Dinah gesprochen. Sie ist eine Tapfere. Sie hat es verdient, daß man ihr hilft.«
»Und ›man‹ bin ich, wenn ich das richtig verstehe.«
»Na ja, Sie können ihr doch etwas zu schreiben geben oder so.«
»Hat sie diesen Kerl rausgeschmissen?«
»Ja, hat sie. Sie sagte, er hätte sehr dämlich ausgesehen.«
»Das ist gut. Ich werde mich schönmachen. Schön für Udler.«
Sechstes Kapitel
Wiedemann war schlecht gelaunt. »Wenn die drei ersten Tage ergebnislos verlaufen, rennt die Mordkommission ins Leere. Heißt es.«
»Wir kriegen ihn«, beruhigte ihn Rodenstock. »Du hast bisher fast alle gekriegt.«
»Wenn es ein ›Er‹ ist«, wagte ich einzuschränken. »Mit einer Armbrust von derartiger Durchschlagskraft und mit einem solchen Gift, hätte das auch meine achtzigjährige Oma gekonnt.«
Es war wohl keine qualifizierte Äußerung, sie schwiegen.
Im Landratsamt wurden wir sehr diskret von einem jungen Mann empfangen, der flüsternd fragte: »Sind die Herren von der Behörde?« und, als Wiedemann nickte: »Dann darf ich Sie bitten, mir zu folgen.« Er brachte uns in ein Gelaß mit einem großen Tisch und acht Stühlen, in dem sich sonst nichts befand.
»Trostlos«, urteilte Wiedemann, »aber geschmackvoll.«
Der junge Mann zuckte leicht und wissend mit den Achseln. »Es soll ja gewissermaßen so sein, als wären Sie niemals hiergewesen.«
»So haben wir es gern«, nickte Wiedemann.
Nach zwei Minuten öffnete Hans-Jakob Udler die Tür, kam hinein und benahm sich alles in allem so, als wären wir angetreten, seine Befehle in Empfang zu nehmen. Er bewegte sich fast tänzerisch, war locker, sehr ausgeglichen. Er trug einen beigefarbenen Sommeranzug, der nicht ganz zum Regen paßte, aber immerhin verdächtig nach Rohseide aussah. Er breitete die Arme aus, als wollte er uns segnen, und sagte heiter: »Ich bin Ihnen für die Diskretion sehr dankbar. Udler ist mein Name.«
Als er mir dann die Hand gab, stutzte er: »Wir kennen uns. Aber das klärt sich.« Er setzte sich und versicherte: »Was immer Sie wollen: Von mir bekommen Sie jede Unterstützung, wie sich von selbst versteht. Wir können beginnen.«
Es war eine feste Absprache: Wiedemann sollte das Gespräch führen, Rodenstock und ich würden den Mund nicht aufmachen.
Also räusperte sich Wiedemann, und ich begriff, daß er unter allen Umständen Udler sofort in eine miese Position drängen wollte. Er sagte locker: »Zunächst einmal schöne Grüße
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